Die stärkste Frau der Welt – Taylor Swift

Taylor Swift (Bild: ako photography/shutterstock.com)
Taylor Swift (Bild: ako photography/shutterstock.com)
Taylor Swift ist gegenwärtig die stärkste Frau der Welt – und womöglich die schönste. Keine Persönlichkeit genoss letztes Jahr weltweit mehr Aufmerksamkeit als sie. Ein Megastar erlebt gegenwärtig den schier unglaublichen Höhepunkt seiner Karriere. Welche Kräfte sind da am Werk?

Die Zeichen stehen gut, dass es dieses Jahr kaum anders sein wird. Sie war im vergangenen Jahr die „Persönlichkeit des Jahres“ des „Time“-Magazins sowie „Die fünftmächtigste Frau der Welt und die mächtigste der Unterhaltungsindustrie“, fand das „Forbes“-Wirtschaftsmagazin. Der renommierte britische Wirtschafts- und Politikwochentitel „The Economist“ hatte bereits im August 2019 in einem Artikel über ihre Absicht, mehr vom Streamingkuchen zu erobern, sogar Alexander den Grossen ins Spiel gebracht, um ihre Macht in der Musikwelt darzustellen: „… das weist auf einen dritten Grund hin, die Alexander-der-Grosse-Theorie, wonach Ms. Swift danach trachtet, das Streaming ebenso zu erobern, wie es ihr bei den physischen Tonträgern und Liveauftritten gelungen ist.“ 2023 brachte sie es allein auf Spotify auf 26,1 Milliarden Streams, womit sie die Rangliste des Marktführers, in der Bad Bunny seit 2020 ununterbrochen ganz oben gestanden hatte, erstmals anführte. Ihr Streaming-Eroberungsfeldzug war erfolgreich.
Da verblassen Meldungen fast schon, dass ihre laufendende „The Eras“-Welttournee geschätzt rund zwei Milliarden Dollar Einnahmen erzielt haben wird Ende 2024 und sie selbst zur Einkommensmilliardärin im jungen Alter von 34 Jahren gemacht hat. Dass an Universitäten Lehrstühle für Taylor-Swift-Forschungen eingerichtet werden und Medien Journalisten suchen, die ausschliesslich für einen stetigen News-Fluss über sie verantwortlich sind – Peanuts.

Wer mit seinen Auftritten messbare seismische Erschütterungen (Seattle, 2,3 auf der Richterskala, Ende Juli 2023) und zählbare prozentuale Ausschläge nach oben beim US-Bruttoinlandprodukt (Notenbank, „Beige Book“) verursachen konnte sowie die Wirtschaftskraft 2022 von mehr als drei Dutzend Kleinstaaten übertraf („Washington Post“/Weltbank-Daten, Ende Dezember 2023), ist mehr als nur ein kulturelles Phänomen. Vieles von dem, was die Welt heute in Bezug auf sie fast schon ständig umtreibt, war in Grundzügen bereits erkennbar, als sie ihre ersten Gehversuche in Nashville unternahm.

Traum und Entschlossenheit
In ihrem Fall ist es ein ganzer Korb voller Faktoren, die zusammenkommen. Zuallererst war es ihr von Shania Twains und Faith Hills Musik inspirierter Traum aus Kindertagen, Singer/Songwriterin zu werden. Dem kam sie ein gutes Stück näher, als ihre gut situierte, aber nicht reiche Familie 2004 von Pennsylvania nach Hendersonville in die Nähe von Nashville übersiedelte, um die Karriere der damals 14-jährigen Tochter zu ermöglichen und zu fördern. Die Entschlossenheit der Tochter war derart gross.

Davon zu träumen, einmal ein Star zu werden, ist eine Sache; es dann in die Tat umzusetzen eine ganz andere. Sie war bei ihrem Durchbruch im Sommer 2006, als mit Tim McGraw die Leadsingle ihres nachfolgenden Debütalbums „Taylor Swift“ erschien, nicht einfach plötzlich da gewesen wie der Igel beim Rennen mit dem Hasen. Das schien nur so, hatte doch in jenen Zeiten des technologischen Umbruchs kaum jemand richtig Zeit, Lust und Musse zur vertieften Talentsuche. Schon gar nicht ausserhalb der üblichen Nashville-Vorgaben, in denen 15-jährige Mädchen sowieso kaum vorkamen. Abgesehen von einem Mann mit eigenen ambitionierten Plänen.

Begabt, aber nicht hochbegabt
Bereits im Alter von neun Jahren hatte sie ein Interesse an musikalischen Theateraufführungen gezeigt und trat auch in mehreren Jugendproduktionen auf. Sie konnte Schauspiel- und Gesangsunterricht in New York nehmen. Bei der „Rising Stars“-Werbekampagne 2003 des angesagten Modelabels Abercrombie & Fitch hat sie mit Gitarre und weissem T-Shirt Modell gestanden. Und in den Sommerferien in New Jersey trat sie mit ihren Songs in lokalen Coffeeshops auf.

2004 ergatterte sie einen Vertrag beim Musikverlag Sony/ATV Tree Publishing House, wo sie die jüngste je verpflichtete Songwriterin wurde und mit Profis arbeiten konnte. Darunter die erfahrene Liz Rose, die seit ihrer frühen Entwicklung bis heute eine nicht unwesentliche Rolle spielt, auch wenn sie sagt, dass die Sitzungen mit Taylor Swift zum Leichtesten gehörten, was sie je gemacht habe. „Im Grunde war ich nur ihre Lektorin. Sie schrieb einfach darüber, was in der Schule los war an dem Tag“, erzählte Rose einmal über ihre damaligen Zusammenkünfte einmal in der Woche. „Sie hatte einen so klaren Blick darauf, was sie ausdrücken wollte, und kam mit unglaublichen ‚Hooks‘ (Aufhängerzeilen) daher.“

Die Musikwelt 2005
Vergegenwärtigt man sich noch einmal die Lage damals 2005 in Nashville, wo die 15-Jährige ein Jahr zuvor angeklopft hatte, war ihr Durchbruch trotz aller Ambitionen und Entschlossenheit unwahrscheinlich. Die Internettauschbörse Napster hatte die Musikindustrie auf den Kopf gestellt Anfang der 00er-Jahre. Die grossen Plattenfirmen suchten verzweifelter nach neuen profitablen Geschäftsmodellen in der neuen digitalen Welt als nach neuen Stars – dazu noch weiblichen. Im Zuge und Durcheinander von Übernahmen unter den Labels verloren manche Künstler über Nacht ihre Plattenverträge, andere spülte die Konzentration nach oben. Gretchen Wilson (32) hatte mit ihrem Album „Here For The Party“ (2004) und dem Hit Redneck Woman einen sensationellen Erstlingserfolg gefeiert und legte damit völlig unvorhersehbar und unbeabsichtigt einen Grundstein für das, was ironischerweise einmal als „Bro-Country“ der nächste kommerzielle Grosserfolg Nashvilles werden würde über die nächsten zehn Jahre. Die junge Texanerin Miranda Lambert (22) stiess anfänglich in dasselbe Wildes-Mädchen-Horn, wollte sie doch im Titellied und ersten Hit ihres Major-Label-Debüts „Kerosene“ sogar alles abfackeln, weil ihr in der Liebe übel mitgespielt worden war. Dazu schlug die neuste „American Idol“-Gewinnerin Carrie Underwood (22) als keimfreier All-American-Gegenentwurf mit grosser Stimme und Gottvertrauen bei ihrem ersten professionellen Versuch Jesus Take The Wheel gleich ein wie eine Bombe. Beim aufstrebenden Trio Sugarland gab Jennifer Nettles (31) den Ton an. Der Appetit der Music City auf neue junge weibliche Stimmen und Talente mit Starpotenzial in der wichtigen Hörerzielgruppe der 25- bis 50-Jährigen, dem Mass aller Marketingdinge, schien damit erst einmal zur Genüge gestillt zu sein. Und es gab immer noch die grossen Stars der vorangegangen 90er-Boomperiode wie Reba McEntire, Faith Hill, Martina McBride, Jo Dee Messina oder Sara Evans, wovon allerdings ein paar etwas in die Jahre gekommen und langsam, aber sicher verdrängt worden waren aus den aktuellen Radioabspiellisten.

Keine der grossen Plattenfirmen zeigte jedenfalls auf Anhieb genügend Interesse an einem hübschen Teenager mit etwas dünner Stimme, die auf Teufel komm raus Lieder über Teenagersachen für Teenager schreiben und unbedingt singen wollte – und zwar am liebsten sofort. „Ich hatte wirklich das Gefühl, dass ich etwas verpassen könnte. Ich wollte diese Jahre meines Lebens auf einem Album festhalten, noch während ich sie durchlebte“, erzählte sie später einmal in einem Interview dem britischen „Daily Telegraph“.

Wagemut oder Verzweiflung?
Bereits ein Jahr zuvor hatte Taylor Swift Scott Borchetta getroffen. Er war damals ein Verantwortlicher bei MCA/DreamWorks (Universal Music Group, UMG), den die Übernahmewelle wieder auf jenen Posten zurückgespült hatte, den er sieben Jahre zuvor hatte räumen müssen. Als er das Paket einer 14-Jährigen erhielt, die sich und ihre Lieder mit einer Demo-CD und auffälligem selbst gebasteltem Promo-Material ungefragt vorstellte, wurde er neugierig.

Borchetta war bereits auf dem Absprung, weil er eine eigene Plattenfirma gründen wollte. Nach dem ersten persönlichen Treffen mit Taylor Swift, deren Eltern und dem Manager war er sich ziemlich sicher, dass er möglicherweise gerade den ersten potenziellen Star für sein Projekt „Big Machine Records“ getroffen hatte. Er fand sie „liebenswert, klug und witzig“ und Picture To Burn, das sie ihm vorspielte und -sang, einen möglichen Hit. Der Familie gegenüber liess er durchblicken, dass er helfen könne, Taylor den richtigen Leuten bei Universal (UMG) vorzustellen, aber wenn sie bereit wären, noch etwas zu warten, nähme er sie bei seinem neuen Label unter Vertrag. Nach zwei Wochen Bedenkzeit teilte Taylor selbst ihm telefonisch mit, das Risiko eingehen zu wollen, bei seiner Plattenfirma zu unterschreiben, die noch nicht einmal existierte. Nicht ganz ungelegen kam dabei auch, dass Borchetta Geld brauchte für sein Start-up und Swifts Vater bereit war – und über die Mittel verfügte –, 120.000 Dollar für einen dreiprozentigen Anteil an Big Machine zu investieren.

Ihre Musikwelt 2006
Dass dann zu Beginn nicht alles am Schnürchen lief bei diesem Start-up, war nichts Ungewöhnliches. Mit seinen Verbindungen aber gelang es Borchetta, sie im Frühjahr als Ersatz für den gefeuerten Eric Church als Opener auf der 2006er-Tour der DreamWorks-Superstars Rascal Flatts unterzubringen. Das Trio zielte ebenfalls vor allem auf ein junges Publikum und kam dort gut an. Der eigensinnige Church hatte, sehr zum Unmut der Headliner, sein Vorprogramm ständig überzogen. Diese Gefahr bestand bei ihr nicht, sie wusste schon früh, mit einer grossen Chance umzugehen.

Es ruckelte und wackelte zwar manchmal bedenklich am Anfang von Big Machine Records, aber Ende Oktober 2006 erschien Taylor Swifts gleichnamiges Debütalbum und schlug ein. Die erste Singleauskopplung Tim McGraw war im Sommer auf Anhieb ein Hit in den „Billboard“-Hot-Country-Songs-Charts, der es bis in die Top Ten schaffte. Drei weitere folgten, darunter Picture To Burn, das Doppelplatin erreichte und eines ihrer frühen Schlüssellieder wurde. Das Album verkaufte sich millionenfach.

Picture To Burn
Der herausragenden Country-Videoregisseurin Trey Fanjoy gelang es bereits in den Anfängen, das Wesen und das Potenzial des künftigen Megastars verblüffend treffsicher herauszuschälen und eindrücklich darzustellen. Vom süssen glücklichen Backfisch in Tim McGraw über den unglücklich verliebten Teenie aus Teardrops On My Guitar bis zur Rachegöttin in Overknee-Stiefeln mit leicht obsessiven Zügen in Picture To Burn ist in Fanjoys Videoarbeiten über einen Zeitraum von zwei Jahren bereits sichtbar, was einen guten Teil von Swifts Wesen ausmacht. Im Rückblick könnte man das Lied auch als erste offizielle Warnung an künftige Ex-Boyfriends hören, wie und wo sie enden könnten. Und sehen, dass in der jungen Taylor Swift ein möglicher grosser Star und eine der künftig schönsten Frauen der Welt steckte.

Die Sequenzen im Clip, wo sie auf der Bühne gezeigt wird, vermitteln einen Eindruck, wie viel Star- und auch Sexappeal in der damals 18-Jährigen lauerten, wenn sie die Haare runterliess. Und dass sie sich ihrer Wirkung durchaus bewusst war. Innerhalb von zwei Jahren wandelte sich der süsse, träumerische junge Backfisch aus dem Tim McGraw-Clip zu einem Teenager an der Schwelle zur jungen Frau mit glänzenden Zukunftsaussichten, was aufmerksamen Beobachtern schon damals nicht verborgen blieb.

Kenny Chesney gratulierte ihr jüngst auf X (vormals Twitter) zum Titel „Persönlichkeit des Jahres“ so: „Taylor, ich wusste vom ersten Augenblick an mit Dir auf der Bühne, dass Du es hattest. Den Hunger, dieses gewisse Etwas … Eine Gabe Verbundenheit zu schaffen, die nicht allen gegeben ist. Es war atemberaubend Dir dabei zuzusehen, wie Du zu scheinen begonnen hast. Herzlichen Glückwunsch zur ‚Time‘-Auszeichnung. Ich freue mich, dass ‚Time‘ gesehen hat, was ich schon immer liebte an Deiner Musik, Deiner Kunst und Dir als Mensch. Ich bin so stolz auf Dich und liebe Dich.“ Kenny Chesney hatte ihr einst einen Scheck über das volle Honorar geschickt, das ihr als Opening-Act bei der Stadion-Tour 2007 des Superstars zugestanden hätte. Weil die Tournee von einer Bierbrauerei gesponsert war, durfte die damals 17-Jährige aber im letzten Moment nicht wie geplant mitmachen. Sie war zwar am Boden zerstört damals, aber: „Es war mehr Geld, als ich je gesehen hatte in meinem Leben. Ich konnte davon sogar meiner Band einen Bonus zahlen. Ich konnte die Rechnungen für Tour-Busse begleichen. Ich konnte meine Träume weiter verwirklichen“, erinnert sie sich bis heute wärmstens an Kenny Chesneys herzliche und vorausschauende Grosszügigkeit.

Im seinerzeitigen Hitparadenwettstreit der zeitweiligen blonden Country-„Rachegöttinnen“ war nach Carrie Underwood (Before He Cheats, 2006) und Crazy Ex-Girlfriend-Miranda Lambert (2007) nun auch die jüngste und dritte neue Blonde im Bunde unüberhör- und unübersehbar auf den Plan getreten Anfang 2008. Die drei wurden in der Folge zum dominierenden Dreizack der weiblichen Country-Musik.

Die Musikwelt heute
Wer den Wettstreit der grössten weiblichen Country-Stars diesseits des Millenniums für sich entschieden hat, darüber lässt die Gegenwart keinen Zweifel. Taylor Swift ist erst zu einem der grössten Country-Stars aufgestiegen, bevor sie jene Grenzen sprengte und 2014 mit dem Erscheinen ihres Albums „1989“ 25-jährig ins Pop-Fach wechselte, wo sie seither zum Superlativ der modernen Musikgeschichte geworden ist.

Einzigartigkeit
Sie ist ohne Zweifel die Grösste. Mit ihrer gerade richtig unvollkommenen Vollkommenheit schafft sie das schier Unmögliche: Sie erscheint oft als ganz normale Person – wie derzeit in den US-Footballstadien –, dann aber auch wieder nicht: Anti-Hero lässt grüssen. Der gegenwärtig schönsten, stärksten und möglicherweise auch mächtigsten Frau der Welt gelang etwas Einzigartiges. Sie hat, nicht zuletzt mit ihrer gelegentlichen anrührend echten Unbeholfen- und Unsicherheit – bildlich herrlich selbstironisch wie selbstbewusst ausgedrückt im Shake It Off-Video –, bereits jetzt im Alter von nur gerade 34 Jahren eine verschworene riesige, weltweite Anhängerschaft um sich zu scharen vermocht, die sich über drei Generationen „Swifties“ und diverse Grossbuchstaben des Alphabets erstreckt. Das lässt sich in dieser Form selbst auf lange Sicht kaum mehr einfach so nachmachen. In den USA hat sie gar Politkreise aufgeschreckt. In wirren rechten Verschwörungstheoretikerzirkeln und sogar auf Fox-TV wurde schon spekuliert und befürchtet, dass sie im laufenden Präsidentschaftswahlkampf möglicherweise Zeichen gegen Donald Trump aussenden und damit den Verlauf beeinflussen könne.

Ab 2006, im Alter von 16 Jahren, hing sie als Idol an zahllosen Wänden in US-Kinderzimmern der Altersgruppe zehn bis 20 und lieferte wie keine andere den Soundtrack zu den Irrungen und Wirrungen des bürgerlich-heilen Teenagerlebens. Auf der Vorderseite der Medaille des weiblichen, auf der Rückseite aber auch unweigerlich des männlichen. Mit dem Erscheinen ihres Albums „1989“ Ende Oktober 2014, mit dem sie im besten (Musiker-)Alter offiziell von Country zu Pop wechselte, erweiterte sie ihre Perspektiven – oder sollte man besser Introspektiven sagen? – und damit das bisherige Fanpotenzial auf einen Schlag um viele weitere Millionen Teenager und junge Frauen weltweit, die mit der Country-Taylor davor nicht viel am Hut gehabt hatten oder sie kaum kannten.

Die wurden nun auf sie aufmerksam und begannen, ihre Geschichten zu entdecken. Auch das weltweite Feuilleton fing an, sie auf einmal wahrzunehmen. Mittlerweile erscheint sie sogar regelmässig auf den Wirtschafts-, Politik- und Sportseiten. Ihr Welthit Shake It Off war gleichfalls Abgesang auf den vergangenen wie auch Auftakt zum nächsten Abschnitt ihres Lebens, und darüber musste sie, wie es in ihrem Wesen verankert ist, weiter schreiben und berichten mittels Liedern und Alben. Für ihre Fans – wie für sich selbst.

Mittlerweile sind die Teenager-Swifties der ersten Stunde oft schon selbst Mütter, und ihre Kinder wachsen mit Taylor Swifts aktueller und neoaktueller („Taylor‘s Versionen“) Musik auf daheim. Die voraussichtlich nächste Generation potenzieller Swifties, wie sich ihre Fans nennen, geht bereits in den Kindergarten oder in die Schule. Sie selbst ist heute eine mädchenhaft gebliebene gestandene Frau, die sich gegenwärtig einen Prinzessinnentraum erfüllt, indem sie sich auf das Werben von Travis Kelce, dem furchtlosen Ritter Lancelot in der roten Rüstung des siegreichen Kansas-City-Chiefs-Footballteams, eingelassen hat. Das Love Story-Szenario von 2008 mit neuer Rollenverteilung in epochengerechter, sportlicherer Ausstattung? Oder eher, wie sie später sang: „Because I love the players and you love the game …“ (Blank Space, „1989“, 2014).

Verbundenheit
Die Verbundenheit zwischen Taylor Swift und ihren Fans ist eine besondere, aussergewöhnliche. Man könnte natürlich zynisch bemerken, dass sich die vielen langen Meet-and-Greet-Stunden, in denen sie seit Beginn ihrer Karriere geduldig und freudig-aufgeschlossen auf Tuchfühlung zu den Fans gegangen war, sich mittlerweile milliardenfach bezahlt gemacht hätten. Aber das greift viel zu kurz. Sie braucht und geniesst diese emotionale Nähe und Anerkennung genauso wie umgekehrt. Auch sie zehrt davon.

Heute ist es so, dass man mit jedem neuen Album in ihr Leben einsteigen könnte – Kapitel um Kapitel. Gerade wie in einen vorbeikommenden Bus ohne angeschriebene Endstation. Man kann gegenwärtig mit „Midnights“ (2022) zusteigen, auf das neue „The Tortured Poets Department“ warten, das Mitte April erscheinen wird, oder mit ihren „Taylor’s Version“-Alben beliebig eine faszinierende Musik-, Kultur- und Zeitreise zurück zum Ausgangspunkt 2006 unternehmen. Oder einfach irgendwo mittendrin eintauchen und sich dann treiben lassen. Eine besser klingende, längere aktuelle „Tagebuchreihe“ findet man kaum auf der Welt. Womöglich am ehesten noch bei Dylan, aber da ist es mit dem Austausch etwas schwieriger – und auch sonst. Kein Wunder, dass sich Ihre Reichweite und Popularität im vergangenen Jahrzehnt beinahe wie ein riesiger Tsunami ausbreitete und Wellen rund um den Globus schlug. Sie ist die treffsichere Katniss Everdeen der populären Musik.

Dass auf Idole aus der Musikwelt allerlei projiziert wird von Fans, ist kein unbekanntes Phänomen. Bei Taylor Swift erreicht es aber eine neue Qualität. Sie ist nicht mehr nur das idealisierte Poster-Girl für eine riesige Teenagerfangemeinde und auch nicht nur eine imaginäre Freundin – sie wird von Millionen nicht nur wie, sondern als eine echte Freundin empfunden und wahrgenommen. Ihre Lieder fühlen sich oft an wie der vertraulichste Gedankenaustausch unter sich sehr Nahestehenden. Nicht selten sogar noch intensiver in melancholischen Momenten. Aber auch wie (scheinbar) gewöhnlicher Klatsch unter Besties: „That’s what people say …“ (Shake It Off). Wie viele beste Freundinnen – im gängigen Swiftie-Jargon „Besties“ – gibt es denn, die einen seit Jahren beständig an so aufregenden oder manchmal auch weniger tollen Lebensphasen und Ausflügen des Geistes teilhaben lassen und die, wenn sie vorbeikommen, die Riesenparty des Jahres schmeissen? Und denen man mit einem Klick auf den Doppelbalken ungestraft einfach den Mund verbieten kann, wenn es einem zu bunt wird?

Hinzu kommt, dass es Social Media heute möglich macht, direkt mit einem Star zu kommunizieren, (fast) wie mit echten Freunden. Posts auf X, Instagram oder Kommentare auf YouTube und Gott weiss noch wo als Antwort auf etwas, das von Taylor Swift kommt auf diesen Kanälen, können so befriedigen, inspirieren oder glücklich machen wie ein unmittelbarer echter Austausch. Auch wenn sie natürlich nicht individuell beantwortet werden. Ab das werden Gebete ja auch nicht.

Die Zukunft
Die Zukunft hat bereits begonnen. Am 4. Februar 2024 gewann sie den vierten „Album of the Year“-Grammy für ihr letztes Album „Midnights“. Das hatte vor ihr noch niemand geschafft. Nach wie vor gilt das Country Style-Diktum vom Februar 2021: Ein Leben ohne Taylor Swift ist möglich, aber sinnlos. Zwinker-Smiley. In ihrem Fall wird die absehbare Zukunft möglicherweise so aussehen: Die „Eras“-Tournee wird alles bisher Dagewesene auf diesem Gebiet auf ganz lange Zeit in den Schatten stellen. Bei der 59. „Super Bowl“-Austragung im Februar 2025 wird sie die grosse Halbzeitshow bestreiten. Es wird das grandiose finale Feuerwerk eines zweijährigen friedlichen Feldzugs rund um den Globus mitten im Finale des grössten Events der Welt vor etwa einer Milliarde Zuschauer an den Bildschirmen. Und viele werden sich möglicherweise fragen: „Wer spielt da eigentlich vor und nach Taylor Swift?“ Dass sie ihren „Ritter“ Travis aus Kansas City heiraten wird, ist eher unwahrscheinlich. Der Mann, der sich neben Taylor Swift in guten wie in schlechten Zeiten langfristig behaupten und dabei gut aussehen kann, muss wohl erst noch geboren werden. Sie wird ihn zwar weiterhin suchen, aber vielleicht nie finden. Alles hat seinen Preis im Leben. Aber ganz abgesehen von allen Unwägbarkeiten, wird am 19. April 2024 ihr neues Album „The Tortured Poets Department“ erscheinen, wie sie bei der Grammy-Verleihung Anfang Februar überraschend verkündete. Darin wird sie gewiss auch diese letzte unglaublich aufregende und intensive Phase ihres Lebens wieder gebührend verarbeiten, ausbreiten und mit uns Swifties teilen. Irgendwie freut man sich bereits jetzt schon darauf. Und wenn sie nicht gestorben ist …