Es ist zwar nicht leicht vorstellbar, aber Alex Klein, der hünenhafte Sänger und Gitarrist aus der Romandie, stand nicht immer nur im Zentrum oder ganz vorn auf hiesigen Country-Bühnen. Auch beim 193-Zentimeter-Mann fing vor 45 Jahren alles einmal ein paar Nummern kleiner an.
In Westschweizer Country-Zirkeln, besonders in Linedance-Kreisen, ist der Mann, der in der Nähe von Romont/FR zu Hause ist, heutzutage bekannt wie der sprichwörtliche bunte Hund. 2003 gründete er die Las Vegas Country Band, die von Anfang an darauf ausgerichtet war, Country-Musik und Linedance so zu verbinden, dass im Publikum möglichst alle auf ihre Kosten kommen sollten bei ihren Auftritten. Ob Zuhörer oder Tänzer, die Las Vegas Country Band wollte mit ihrer Show jeweils allen Vergnügen bereiten.
Die Ausrichtung hin zum Tanzpublikum war eine bewusste Entscheidung, die nicht zuletzt auch von Gattin Carole, einer ausgebildeten Linedance-Instruktorin, beeinflusst worden war. Man hatte von Anfang an das grosse Ganze im Blick: „Ich sehe das als Partnerschaft – wir bringen die Country-Musik und Show auf die Bühne, und die Tänzer übertragen es auf das Parkett, wobei ein buntes Zusammenwirken entsteht, das bei allen gut ankommt. Über die Jahre spielten wir bei zahlreichen Festivals, in Clubs und sogar auf hoher See bei der Country Music Cruise des Zürcher Promotors Albi Matter. Nicht selten kamen so bis zu 40 Auftritte im Jahr zusammen.“
Erste Schritte
Bereits 1972, im Alter von zwölf Jahren, unternahm er mit einer akustischen Gitarre die ersten Schritte, um in die Musikwelt einzutauchen. Der Lehrer damals war aber alles andere als inspirierend, und so verlief der erste Versuch im Sand. Drei Jahre später folgte der nächste Anlauf. Diesmal aber elektrisch, was nicht erstaunt, waren die 1970er-Jahre doch eine Zeit, in der es von „Guitar Heroes“ nur so wimmelte. Die hinterliessen natürlich auch beim mittlerweile 15-Jährigen mächtig Eindruck: „Deep Purples Ritchie Blackmore, dessen Mähne mich sogar zur Nachahmung inspirierte, Jimmy Page (Led Zeppelin), John Fogerty (Creedence Clearwater Revival), Carlos Santana, David Gilmour (Pink Floyd), Armand Volker (Tea) oder Vic Vergeat (Toad) – also eigentlich ziemlich alle, die geile Gitarrensoli draufhatten“, zählt er ein paar seiner damaligen Helden heute lachend auf. Und natürlich gehörte auch der legendäre, aber bereits 1970 verstorbene Jimi Hendrix dazu. Rinaldo Häusler von der Schweizer Band Shifter lehrte ihn ab 1975 die ersten Riffs, bis dieser auf tragische Weise bei einem Motorradunfall sein Leben verlor.
1976 war der „lift off“
Das Alter stimmte, der Enthusiasmus war da und mit Jean-Pierre Peuget auch ein Gitarrenlehrer, der begeistern konnte auf dem Weg in Richtung Blues und Rock ’n’ Roll. Was noch fehlte, war eine Band. Aber wozu hatte man Freunde und einen Bruder, der Schlagzeug spielen konnte? Flyer waren noch im selben Jahr geboren. Im Fussball landen Kinder im Tor, weil sie es in der Regel kaum treffen – in einer Band werden Jugendliche oft Sänger oder Sängerin, wenn sie gut aussehen, die Noten einigermassen treffen und, wie im konkreten Fall, Englisch können. Das genügte für erste Gigs im Jugendzentrum und bei lokalen Anlässen. Flyer hatte abgehoben.
Sprung in die Gegenwart
Die Jugendband Flyer mag zwar schon längst Geschichte sein, aber Alex Klein haben diese ersten Musikerfahrungen und -erlebnisse nie mehr losgelassen, und er lässt sich noch heute gern davon tragen. 45 Jahre später im Alter von 61 Jahren, was in seinem Fall tatsächlich „das neue 40“ zu sein scheint, ist er engagierter und umtriebiger denn je. 2018 kam die Einladung, bei den Swiss Highwaymen mitzumachen. Die ursprünglich von Country-Urgestein George Hug ins Leben gerufene Schweizer Country-Supergruppe, bestehend aus Buddy Dee, Heinz Flückiger und Andy Martin, suchte nach Hugs Rückzug 2017 einen neuen vierten Mann. „Eine erfolgreiche Supergruppe, coole Kollegen, vierstimmige Gesangarrangements, dazu eine Band mit erfahrenen und erprobten Musikern (Marcel Britt/Bass, Martin Gugger/Fiddle, Marcel Roth/Schlagzeug, Michael Schweizer/E-Gitarre, René Witschi/Keyboards) – wie hätte ich da Nein sagen können?“
Die Lockdowns in der anhaltenden Corona-Pandemie gingen auch an ihm nicht spurlos vorbei, zeitigten allerdings positive Resultate in Sachen Kreativität und auf der Badezimmerwaage. Anders als der hiesige Durchschnitt legte er in der Pandemie nicht 3,3 Kilo Körpergewicht zu, sondern strampelte sich mit Gattin Carole und neuen E-Bikes 30 Pfund von den Rippen. Mit der neuen Fitness kamen auch neue Ideen, von dene zwei mittlerweile umgesetzt sind.
In der Formation Alex Klein & Friends will er künftig Konzerte spielen mit einem Repertoire aus Country-Standards und rockigeren Sachen – „zum Spasshaben und Dampfablassen“. Dazu lädt er Freunde als „Special Guests“ ein. Tanzen kann man wahrscheinlich auch, aber Linedance-Gängigkeit steht dabei nicht im Vordergrund. Rocken soll es in erster Linie.
Noch mehr im Vordergrund wird er mit dem ebenfalls neuen Programm „Alex Klein solo“ stehen. Alex der Grosse, eine Akustikgitarre und eingespielte Backings mit bis zu vier von ihm gesungenen Arrangements – quasi viermal Klein ganz gross. Der Vorteil dieses Formats liegt in dessen Flexibilität: ein Mann, ein Gig – und praktisch überall möglich.
10.000 Stunden
Eine heute verbreitete (unbewiesene, aber nicht unwahrscheinliche) Weisheit unterstellt, dass man 10.000 Stunden investiert haben muss, bis man etwas wirklich beherrscht. Dass sich Alex Klein im Leben an so vielfältige musikalische Projekte heranwagen konnte, und immer noch kann, sind die Früchte reicher und vielfältiger Erfahrungen, die er über Jahrzehnte national und international gesammelt hat. Vom Übungsraum in der Stahlbetonumgebung eines Luftschutzkellers, wo er sich als Teenager die Finger wund spielte, um die Gitarren-Licks seiner Vorbilder nachzuahmen und hinzukriegen, über viele Jahre auf dem professionellen Circuit in der noch bis in die frühen 1980er-Jahre populären Livemusikszene hiesiger und internationaler Dancings und Clubs bis zu jenen Tagen in Afrika, wo er mit einer Blues-Formationen in Ghana oder an der Elfenbeinküste in den Expat-Clubs von Abidjan schöne Erfolge feiern konnte. Ein Teil dieses Erfolgs auf dem schwarzen Kontinent, wohin ihn sein Job bei Nestlé geführt hatte, könnte natürlich auch darauf zurückzuführen gewesen sein, „dass wir die einzige Blues-Band weit und breit waren“, schränkt er heute herzhaft lachend ein. Aber auch nach der Rückkehr in die Schweiz blieb er dem Blues treu und spielte viele Jahre mit seiner noch heute aktiven Swiss Crossroads Blues Band auf den grossen Jazz-Festivals in der Romandie. Nicht zuletzt auch auf dem Blues-Boat des Montreux Jazz Festivals.
Der Einstieg in die Country-Musikwelt startete Ende der 1990er-Jahre von der Ersatzbank aus. „Die lokalen Country-Bands Country Expression und Colorado fragten mich an, ob ich allenfalls als Ersatzgitarrist zur Verfügung stehen würde. Es war Liebe auf den ersten Blick: Meine Stimme passte zu dieser Musik, und es war eine ziemliche Herausforderung für mein Gitarrenspiel.“ Der Rest ist eine der erfolgreichsten Geschichten in der Westschweizer Country-Szene, die längst auch den Sprung über den Röstigraben geschafft hat und sich dort nahtlos fortsetzt, wenn nicht gerade eine Pandemie dazwischenkommt.
Umfangreiche Dokumente
Die wichtigsten „Dokumente“ von Musikern sind ihre Tonaufnahmen. Davon sind auch bei Alex Klein über die Jahre so einige zusammengekommen. Es begann 1987 mit der ersten Single Le Temps De Vivre und deren B-Seite Being Together. Seine Blues-Periode ist auf „Just For Fun“ (1992) festgehalten. 2009 entstand in Nashville sein erstes Country-Album „Welcome Home“. Danach folgten noch drei weitere in der Music City USA produzierte Platten: „Honky Tonk Saturday Night“ (2011), „Switzerland Country“ (2013) und zuletzt „I Believe – Songs Of Country & Gospel“ im Jahr 2018. Mit Ausnahme des letzten Albums waren alle Eigenkompositionen.
Immer weiter …
Einmal eingebogen auf den Country-Highway, lässt er einen nur mehr schwerlich los. Bei Hank Williams war es der „Lost Highway“, bei Alan Jackson der Pfad Richtung „Neon Rainbow“. Jeder verfolgt seinen eigenen Weg. Der stärkste Antrieb bei Alex Klein – abgesehen davon, dass „Musik immer meine Energie- und Kreativitätsquelle war“ – ist das Hochgefühl, das man als Entertainer erlebt, wenn man auf der Bühne steht: „Alle Musiker sind süchtig nach der Liebe des Publikums. Wenn du auf einer Bühne stehst und die Leute dir mit ihrem Applaus zeigen, dass sie dich und deine Show mögen, kann man nie genug davon bekommen …“
„Wenn du auf einer Bühne stehst, und die Leute dir mit ihrem Applaus zeigen, dass sie dich und deine Show mögen, kann man nie genug davon bekommen.“
(Alex Klein, September 2021)