Florida

Breuers Worte Florida
Bild: Geri Stocker

Florida und Country? Miami weiss von nichts, sogar wenig über die Mavericks, hier steht man eher auf Hip-Hop oder Salsa. Dieser Staat ist vorwiegend berüchtigt für Everglades und Evergreens, vor allem aber für Rock ’n’ Roll: See you later, Alligator! Florida ist berüchtigt für den Springbreak und andere Katastrophen. Wo es viel Strand gibt, finden sich eben auch viele Gestrandete. Nicht wenige Versicherungsgesellschaften wurden von unablässig wütenden Hurrikanen in den Bankrott geblasen. Bei den tropischen Wirbelstürmen entkommen nebenbei häufig Wildtiere aus den zahlreichen Privatzoos. Gegenwärtig stehen unter anderem zwei Tiger und ein Cougar (der nicht einmal  Mellencamp mit Nachnamen heisst) auf der Vermisstenliste, die in Gottes freie Natur entweichen konnten. Wie frei die wirklich ist, lässt sich optimal in den Florida-Büchern von Carl Hiaasen verfolgen. Derzeit kämpft man mit einem Pythonproblem, auch die Überpopulation von Leguanen macht zu schaffen. Der Staat ist nahezu pleite, selbst die Flamingos stehen nur noch auf einem Bein. Für fünf Millionen Dollar hat man Florida damals von den Spaniern erworben, Rückgabe ist bei Sonderangeboten leider nicht drin. Die letzte Harley-Davidson-Ernte in Daytona war beschämend, und die Marshmallow-Plantagen im Raum Tampa sind beim überraschenden Frosteinbruch im letzten März zerstört worden.

Seitdem sie CSI Miami dichtgemacht haben, treiben in Florida immer mehr Seniorendealer ihr Unwesen – viele ältere Mitbürger wissen aus Verzweiflung über die Streichungen im Sozialwesen keinen Ausweg mehr. Selbst die Golden Girls, einstmals Floridas Exportschlager Nummer eins, mussten vor Jahren ihre Kulissen versilbern. Glücklicherweise liegt die Lebenserwartung in den USA hinter der von Bosnien und nur knapp vor Albanien.

Im Sunshine State können sie nicht zählen, jedenfalls keine Stimmen bei irgendwelchen Wahlen. Damit bringen sie die restlichen Amerikaner regelmässig auf die Palme. Welche Schäden die permanente Sonneneinwirkung doch mit sich bringen kann … Das stets regierungsfreundliche Endergebnis hat Washington bislang von einer schwierigen Entscheidung abgehalten: Florida entweder ganz zu schliessen, komplett an Walt Disney zu veräussern oder aber an seiner engsten Stelle, etwa zwischen Crystal River und Edgewater, durchzusägen und seinem Schicksal im Karibischen Meer zu überlassen. Eine Hoffnung gibt es: Um das Schlimmste zu verhüten, würde der amtierende Gouverneur in Tallahassee notfalls Jimmy Buffett als Sonderbotschafter nach Washington entsenden.

Hier im 27. Bundesstaat (Spätzünder!) befindet sich das bevorzugte Golfrefugium des amtierenden Präsidenten. Mit seinen 73 Jahren drückt er das Gesamtdurchschnittsalter, was zu seiner Beliebtheit beiträgt. Mr Trump kommt wegen des Wetters angedüst: Florida dürfte der einzige Staat sein, in dem Zigarrenraucher auf den Humidor verzichten können. Hier unten im Süden erlaubt man sich gern Extravaganzen: Lehrern ist das Tragen von Waffen ausdrücklich erlaubt. Furzen in der Öffentlichkeit nach sechs Uhr abends hingegen nicht. Fürs Skateboardfahren braucht man eine Lizenz.

Aber es gibt nicht nur das oberflächliche, grelle Florida des Nachtlebens oder das Seniorenflorida der Pastelltöne. Oben im Pfannenstiel, im Original natürlich „Panhandle“ oder auch „Redneck Riviera“ genannt, geht es robuster zu und stellenweise auch gemütlicher, mitunter derart „laid back“, dass man Angst haben muss, die Leute kippen gleich hintenüber. Wenn man Glück hat, kriegt man das in den Filmen von Victor Nuñez zu sehen, „Ulee’s Gold“ mit Peter Fonda etwa oder „Ruby In Paradise“ mit der wunderbaren Ashley Judd. Deren Nachname geleitet uns endlich zum Thema Country-Musik, wobei Mutter und Schwester Judd in Kentucky zu Hause sind. Aber spätestens seit Gründung des Duos Florida Georgia Line befindet sich dieser Staat wieder auf der C&W-Landkarte, und siehe da, tatsächlich stammt Brian Kelley aus Ormond Beach und sein Partner Tyler Hubbard aus Monroe im Pfirsichstaat nördlich des Orangenstaates. Wenn wir schon dabei sind: Florida beheimatet Vater und Tochter Tillis, Mel (Tampa) und Pamela (Plant City), den Fiddler Vassar Clements (Kinard), ­Elizabeth Cook aus Wildwood und John Anderson aus Apopka. Nicht zu vergessen Tom Petty und Raul Malo. Übrigens wurden sowohl die Allman Brothers als auch Lynyrd Skynyrd in Florida gegründet. Als Auftrittsforum sticht das „Florabama“ auf der Staatsgrenze nach Alabama hervor. Nach Jim Lauderdale hat man sogar ein ganzes Fort mit angrenzender Stadt getauft. Und dann wäre da noch Jimmy Buffett, früher in Key West ansässig. Dort findet einmal jährlich ein Ernest-Hemingway-Lookalike-Contest statt, und die Verlierer können sich immer noch beim Kenny-Rogers-Doppelgänger-Wettbewerb anmelden.

Jetzt wie gewohnt die Top Ten von Songs mit „Florida“ im Titel:

Lucky Mud: Underneath The Florida Moon

Claire Lynch: My Florida Sunshine

South Ocean String Band: Watching Florida Grow

Marie Knight: The Florida Storm

JP Harris: JP’s Florida Blues

Jimmy Buffett: Floridays

Patty Griffin: Florida

Tom T. Hall: Down In The Florida Keys

Aaron Lee Tasjan: Florida Man

Blue Rodeo: Florida

Dieser Artikel erschien in der Country Style-Ausgabe Nr. 111/2019.

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