Kentucky

Breuers Worte Kentucky
Bild: Geri Stocker

Kentucky ist der einzige Bundesstaat, der sich auf „lucky“ reimt, dennoch war das Glück den Menschen aus „Kaintuck“ nicht immer hold. Bei uns in Mitteleuropa wurde der 15. Staat der USA überhaupt erstmals in dem Schlager „Ich kenn Tucky, aber Tucky kennt mich nicht“ von Bill Ramsey erwähnt, der im Übrigen aus Cincinnati stammte, wenn auch nur eine Flussquerung von der Staatsgrenze Kentuckys entfernt. Ein weiteres Mal tauchte der Staat in den Nachrichten auf, als ein Pilot von Delta Airlines in Lexington landete, wobei er allerdings nach Louisville gemusst hätte, das zwar ebenfalls mit L anfängt und nur 71 Meilen entfernt liegt (Luftlinie!), aber eben: ooops … „This is your captain speaking – krrrcht … unfortunately …“ Selbst wenn das vielleicht ein Pilotprojekt war – der Mann ist postwendend geflogen. Zu den berühmtesten Bürgern des Staates zählen Muhammad Ali (Cassius Clay) und der Clooney-Schorsch. Die Bewohner Kentuckys sind ausserordentlich vielseitig und von einer gewissen Doppelbegabung: Im Bürgerkrieg kämpften sie auf beiden Seiten. Nicht zuletzt deshalb hat Washington beschlossen, seine Goldreserven in Fort Knox zu lagern.

Die östlichen Countys an der Grenze zu Virginia und West Virginia wurden samt und sonders entdeckt, erkundet, erschlossen, besiedelt, zerstört und wieder aufgebaut von Daniel Boone, einem Trapper, Abenteurer und Händler, der Ende des 18. Jahrhunderts eigens zu diesem Behufe aus den Carolinas herübergetrappert war. Er war es auch, der in der Gegend um Pippa Passes den ersten ausgewachsenen Fiedelbaum entdeckt hatte. Über Jahrhunderte hinweg spielten Bauern die zentrale Rolle im Staat, davon ist letztlich nur der Instrumentenbauer übrig geblieben – aber für wie lange noch? Wer ist heute noch in der Lage, von einem Birnbaum alles wegzuhobeln, bis eine Mandoline übrig bleibt? Nur noch einige wenige Allrounder in den südöstlichen Countys wie Leslie oder Letcher.

Lange Zeit war der Staat in der Geflügelzucht federführend. Beliebt war der Witz: „Welches Säugetier dreht sich nach seinem Tod noch circa 150-mal?“ Antwort: „Das halbe Hähnchen.“ Ein gewisser Colonel Sanders fing Ende der 20er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts an, an einer Tankstelle in Corbin Hühnchen zu rupfen und panierte Geflügelteile zu verkaufen, und schon 1930 eröffnete er sein erstes Restaurant. Weit über 4.000 sind es mittlerweile in den USA. In den 1950er-Jahren wilderte man im Powell County Truthühner aus, seither ist die Grundversorgung der Bevölkerung zumindest zu Thanksgiving gesichert.

Musikalisch kann Kentucky seither mit seinen Pfunden wuchern: Am 13.11.1911 wurde in Rosine die Bluegrass-Legende Bill Monroe geboren, das nach Marilyn wohl bekannteste Mitglied des weit verzweigten Monroe-Clans, aus dem auch schon die Schriftstellerin Harriett und der Präsident James hervorgingen. Nach dem Urgestein Harlan Howard, geboren in Lexington (nicht Louisville), wurde im Osten des Staates sogar ein ganzer Landkreis benannt: Harlan County. Aus Kentucky kommen u. a. die Kumpeltochter Loretta Lynn (Butcher’s Hollow, ein Name wie eigens erfunden für die Serie „Justified“), Tom T. Hall (Olive Hill), Grandpa Jones (Niagara KY), Patty Loveless und Dwight Yoakam (beide Pikeville), Sam Bush (Bowling Green), Chris Stapleton (Lexington) sowie der Vater von Miley Cyrus (Flatwoods). 50 Prozent der Everly Brothers – nämlich Don – stammen aus Brownie. Die Brüder waren auch bekannt als „Smoke“ und „Drink“ Everly. Obwohl (manche sagen auch: weil) sie sich nicht besonders verstanden, trieben sie den Harmoniegesang auch ohne Sauerstoffgeräte in neue Höhen.

Mittlerweile ist Kentucky eher bekannt für seine Schwarzbrennereien und seinen Hanfanbau. Das Gras aus Kentucky macht überraschenderweise nicht stoned, sondern eher blau. Gewiefte Farmer können sogar auf 100 Yards Entfernung das Gras wachsen hören. Schon einmal, Mitte des 19. Jahrhunderts, gab es eine prosperierende Hanfindustrie, nach dem Bürgerkrieg wurde dort aber Burley-Tabak angebaut. Obwohl sich Kentucky als „Commonwealth“ bezeichnet, hat es der Wohlstand („wealth“) nie in den Osten geschafft: In den „Eastern Coal Fields“ wurde zwar Kohle abgebaut, dennoch mangelte es der Bevölkerung oftmals an Kohle. Ganz anders im Westen, wo Pferde angebaut wurden. Im Mai jedes Jahres messen sich in Louisville beim „Kentucky Derby“ die ausladendsten Hüte im Wettkampf, und nebenbei jagt man noch ein paar Zossen durch die gepflegten Anlagen. Wie hoch das Ansehen dieser Tiere ist, lässt sich schon aus der Tatsache ableiten, dass man nirgendwo Kentucky-Fried-Horses-Filialen findet.

Top Ten mit „Kentucky“ im Titel

Rhonda Vincent: Kentucky Borderline

Hank Snow: Kentucky Waltz

Dale Ann Bradley: East Kentucky Morning

Mike McGuire: Western Kentucky Parkway

Keith Whitley: Kentucky Bluebird

Gangstagrass: Rainstorm In Kentucky

Billie Joe Armstrong & Norah Jones: Kentucky

Ricky Skaggs: Kentucky Thunder

Darrell Scott: You’ll Never Leave Harlan Alive

Craig Gerdes: Dead In A Box In Kentucky

Dieser Artikel erschien in der Country Style-Ausgabe Nr. 104/2019.

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