Tobey Lucas – der Frühbucher

Tobey Lucas (Bild: Boris Müller)
Tobey Lucas (Bild: Boris Müller)
Im Herbst 2012 begann mit der zeitigen Buchung des Zürcher „Exil“ für den 11. Oktober 2013 Tobey Lucas’ Projekt, ein amerikanisches Album mit Country-Einflüssen machen zu wollen.

„Ich setzte mir diese ‚Deadline‘ ganz bewusst. Sie zwang mich zum Texte- und Musikschreiben und half mir, den Fokus – rund ein Jahr später mein Debütalbum dem Publikum präsentieren zu können – nicht aus den Augen zu verlieren“, erklärt er. Die tickende Uhr ist ein unerbittliches Instrument, um Spannung und Kreativität zu erzeugen – oder zu lähmen. Das weiss jeder, der schon einmal einen James-Bond-Film sah oder einen Schulaufsatz schreiben musste. Wenn die Zeit unaufhaltsam gegen einen läuft, dann sind Helden oder Meister ihres Faches gefragt, damit ein Happy End herausschaut.

Einer guten Heldenstory kann der „Star Wars“-Fan Tobey Lucas so einiges abgewinnen. Dennoch, für sein Projekt besann er sich auf seine Fähigkeiten auf der Gitarre und Inspirationen, die von Neil Young über die Rolling Stones bis hin zu Tom Petty reichten. Daraus und mit 17 Mitstreitern aus der hiesigen Musikszene, die alle ihren Teil dazu beitrugen, entstand „83“ – ein bemerkenswertes Album, in dessen Verlauf die Charaktere fortwährend zwischen Sucht und Sehnsucht zerrieben werden (siehe CD-Besprechung auf Seite 18).

„Ich wollte unabhängig entscheiden, wie mein Album klingen sollte, deshalb nahm ich das Risiko auf mich, es ohne Unterstützung einer Plattenfirma zu produzieren. Alle Songs wurden hier in der Schweiz eingespielt – nur das Mixen und Mastering wurden am Ende in Los Angeles gemacht.“ Der Zürcher Musiker erfüllte sich gewiss einen Traum, indem er sich dieses Album zum 30. Geburtstag „schenkte“, aber wer ihm gegenübersitzt, spürt rasch, dass man es keineswegs mit einem Träumer zu tun hat. Auf die Minute pünktlich erscheint er zur Verabredung, klar wie sein Blick sind auch seine Ausführungen. Auf die Frage nach der grossartigen Gitarren-Bridge, die seine Erstauskopplung You’ll Be Waiting There unter anderem so aussergewöhnlich eingängig macht, erklärt er: „Die gefiel uns so gut, dass wir sie ursprünglich vier Mal drinhatten, aber letztlich entschieden, sie nur zwei Mal drinzulassen – die Kraft der Reduktion.“

Lucas und seinem Album gelingt, was amerikanische Musik und Country-Anklänge im besten Fall fertigbringen: Ein Gefühl von Raum, Weite und Wegen stellt sich ein beim Zuhören. Während die amerikanischen Rockstars wie Springsteen oft Gefangene der Städte und deren Geschichten sind, öffnet sich bei Tobey Lucas die Landschaft nach Süden und Westen hin, bevor sie den besonderen Puls der Westküste aufnimmt und man das Gefühl hat, dort gelandet zu sein, wo das Land im Schmelztiegel L. A. auf den Ozean trifft. Bis man allerdings dort ankommt, erzählt der Songwriter seine Geschichten und spielt Melodien, die die vielgestaltigen Landschaften des Sonnengürtels mit Schnipseln aus dem Leben von allerlei Typen füllen, denen die Lotterie des Lebens meist eher mässige Karten austeilte.

2014 geht es erst einmal weiter auf Tour mit „83“ im Gepäck. „Weil ich alles selbst machte, fliessen auch alle Einnahmen zu mir – ausgenommen eine Beteiligung meines guten Freundes, Mitproduzenten und Schlagzeugers Chris Filter, der bei diesem Projekt nicht nur an den Drums instrumental dabei war. Danach würde es mich reizen, den jetzt eingeschlagenen Weg weiter auszuloten. Keith Urbans und Bonnie Raitts Musik interessieren mich momentan sehr.“

Ob und wann dieses Interesse wieder in einer Frühbuchung des Exil-Clubs endet, darauf darf man jedenfalls gespannt sein.