Viele Jahre war Grady Keenan bereits als Musiker unterwegs, unter anderem in der Band von Tracy Lawrence zu dessen Anfangszeiten, bevor er 2008 seine Keen Country Band gründete.
Aufgewachsen im Texas Panhandle mit fünf Geschwistern, musizierte er bereits im Alter von neun Jahren. Etwas später begann er, Lieder zu schreiben. Auch während seiner Militärzeit im US-Marine-Corps kamen verschiedene Songs zustande. Nachdem ihn mehrere Freunde und Fans ermutigten, diese Werke endlich auf einer CD aufzunehmen, kam 2021 sein erstes Album „Texas Raised Redneck“ heraus.
Bruno Michel: Grady, Du bist seit ewig im Musikgeschäft, sowohl als Singer/Songwriter als auch als Schlagzeuger oder im Vorstand lokaler Musikorganisationen. Trotzdem kam erst jetzt eine erste CD von dir heraus. Grady Keenan: Wir sind in ärmlichen Verhältnissen auf dem Land aufgewachsen in Dalhart, Texas, einer Kleinstadt, rund 140 Kilometer nordwestlich von Amarillo am Rande des Panhandles. Ich machte schon als Teenager Musik, aber dachte nie daran, selbst einmal ein Album zu produzieren. Ich war total happy, als Musiker in einer Band zu spielen, und wollte gar nie im Vordergrund stehen. Somit dauerte es eben 62 Jahre, bis ich 2021 Lieder zusammenstellte und im Februar dieses Jahres mein erstes Album veröffentlichte.
Du stammst zwar aus dem Panhandle, bist aber seit Langem in Central Texas in Lockhart zu Hause. Gibt es in dieser Gegend mehr Auftrittsmöglichkeiten oder warum bist Du hierhergezogen? Nun, ich arbeitete im Ölgeschäft im Panhandle bei Halliburton, bis 1982 die Auftragslage schlecht war und sie alle entliessen, die erst seit kurzer Zeit dabei waren. Also meldete ich mich beim US-Marine-Corps, und sie ermöglichten mir eine Ausbildung zum Elektroingenieur. Danach leistete ich meine Dienstjahre bei den Marines und wurde nach meiner vertraglichen Dienstzeit ehrenhaft entlassen. Einer meiner Freunde war in Victoria, Texas und brauchte einen Schlagzeuger. Also zog ich in den Süden und spielte einige Zeit in dieser Band und danach in anderen Formationen und landete schliesslich im Caldwell County in South Central Texas.
Vor etwa zehn Jahren hast du den „Best Musician“ Award im Caldwell County mehrere Jahre hintereinander gewonnen. Letztes Jahr schaffte es deine Single Texas Raised Redneck auf den Sampler „Best Texas Country Picks Volume 3“ der Texas Country Music Association. Was bedeuten solche Ehrungen für Dich? Es zeigt mir, dass meine Arbeit geschätzt wird. Scheinbar hören gewisse Leute meine Musik und glauben, dass sie gut genug ist, um eine Auszeichnung zu erhalten. Es macht mich stolz und ermuntert mich weiterzumachen, weil diese Awards beweisen, dass ich nicht einfach meine Zeit verschwende, sondern es Menschen gibt, die meine Musik mögen.
Du spielst neben Deiner Solokarriere auch in der Keen Country Band seit bald 15 Jahren. Die erste Band, die ich sehe, wo der Schlagzeuger zuvorderst auf der Bühne sitzt. (lacht) Ja, wir haben zwar einen Schlagzeuger, aber der kommt freitags nicht früh genug aus seinem Job weg, um zu spielen. Also springe ich an solchen Tagen ein und spiele auch Schlagzeug, anstatt nur zu singen …
… und somit kriegst Du zwei Anteile der Gage und nicht nur einen (Gelächter). Wie entscheidest Du zwischen Solo-Gigs und den Auftritten mit der Band? Oder geht das praktisch immer zusammen? Meistens kombiniere ich die Auftritte. Das ist so etwas wie meine Hausband. Die Jungs spielten schon zusammen, lange bevor ich 2008 dazustiess und wir die Keen Country Band formierten. Wir sind alle eng befreundet und lieben es, zusammen zu spielen.
Was kommt bei Dir beim Liederschreiben zuerst? Melodie oder Text? Eigentlich kommt zuerst das Thema. Zum Beispiel beim Song Western Mountain Land, der während meiner Zeit auf der Militärbasis in der kalifornischen Mojave-Wüste entstand. Aber manchmal ist es auch die Melodie. Bei Texas Raised Redneck hatte ich dieses Gitarren-Riff im Kopf. Zehn oder zwölf Griffe, mehr war da anfangs nicht. Dann sassen wir einmal in einem kleinen Diner, und ich sah dieses Schild an der Wand: „Texas Raised Redneck“. Ich dachte mir: That’s it. Und der Song begann, Form anzunehmen. Aber generell kommt zuerst das Thema, dann die Melodie, und danach baue ich die Geschichte drum herum.
Du hast mit vielen prominenten Texasmusikern gespielt, wie zum Beispiel Tracy Lawrence, Joe Stampley und anderen. Gibt es einen Star, mit dem Du gern mal die Bühne teilen würdest? Ich freue mich eigentlich immer, wenn ich in einer Band mitmachen darf, die einen Schlagzeuger braucht. Egal, ob berühmt oder nicht. Aber wenn es um Superstars geht, dann wären das wohl The Highwaymen gewesen.
Was mich an Deiner CD beeindruckt, ist, dass Du verschiedene Musikstile kombinierst. Von Traditional Country über Blues, Southern Rock oder Gospel ist da alles vertreten. Welcher Stil passt Dir persönlich am besten? Ehrlich gesagt, traditionelle Country-Musik liegt mir am nächsten. Damit bin ich aufgewachsen. Zu Hause lief dieser Sound ständig im Radio, und wenn wir Kinder schlafen gingen, hörten wir beim Einschlafen diese Musik aus dem Wohnzimmer. Deshalb spiele ich bei meinen Auftritten auch viele Coversongs meiner Lieblingskünstler, wie zum Beispiel Merle Haggard. Leider gibt es heute fast keine Radiostationen mehr, die solche Musik spielen, obwohl es jede Menge junge grossartige Künstler in Texas gibt, die wieder Traditional Country machen.
Auf Deinem Album ist ein einziger Coversong, Someday Soon von Ian Tyson. Auch so eine Ikone mit einer mehr als 60 Jahre dauernden Karriere. Du singst diesen zusammen mit Amanda Bryant. Tyson nahm den Song 1963 ebenfalls als Duett mit seiner damaligen Ehefrau Sylvia Fricker auf. Warum hast Du gerade diesen Titel ausgewählt? Mir gefällt er einfach. Ich wusste anfangs nicht mal, dass Tyson den Song bereits als Duett aufgenommen hatte. Ich kannte das Lied von Moe Bandy oder Suzy Bogguss und fand, dass es doch als Duett supergut klingen müsste. Als ich Ian kontaktierte, weil ich gewisse Stellen im Text verändern wollte, sagte er mir, dass ich eben nicht der Erste sei (lacht).
Welchen Job hättest Du, wenn es keine Musikkarriere in Deinem Leben gegeben hätte? Den gleichen, den ich dank dem US-Marine-Corps lernen durfte: Elektroingenieur. Ich liebe den Job bis heute, hätte allerdings wohl Mühe, so altes Equipment zu finden, an dem ich meine Kenntnisse von damals anwenden kann (lacht).
Der legendäre Bobby Flores hat Deine CD produziert. Unser gemeinsamer Freund kämpft ja leider momentan gegen eine schwere Krankheit, von der er sich hoffentlich erholen wird. Wie kamst Du mit Bobby in Kontakt? Ich hatte einen Fiddler in meiner Band, der Bobby gut kannte. Ich wusste natürlich, wer Bobby war, hatte aber nie persönlichen Kontakt. Also trafen wir uns, und ich erzählte ihm von meinen Albumplänen. Er war sofort bereit, mir zu helfen. Und nicht nur das. Er machte wesentlich mehr als nur die Produktion. Seine Kritik und seine Ideen haben dieses Album wesentlich beeinflusst. Dank Bobby Flores habe ich nun ein qualitativ hochstehendes Produkt. Ich hoffe sehr, dass er diese Krankheit gut übersteht.
Letzte Frage: Wenn Du Grady Keenan interviewen würdest, welche Frage stelltest Du ihm, die ich nicht gestellt habe? Kommt noch ein weiteres Album von Dir? Die Antwort ist ein klares Ja. Ich habe momentan rund die Hälfte der Songs fertig geschrieben, die darauf erscheinen sollen. Da Bobby etwas Ruhe braucht in seiner Situation, habe ich mit Tracy Lawrence darüber gesprochen, und er zeigte Interesse daran, dieses neue Album für mich zu produzieren. Es wird wieder einen Coversong beinhalten, den kaum einer kennt. Ich hoffe auf ein Erscheinungsdatum im Frühling 2023.
Ich bedanke mich für das Gespräch und wünsche Dir alles Gute und viel Erfolg.