Wäfler Brothers

Wäfler Brothers

Nächster Halt – Solothurn

Jetzt können wir uns mit Lesen und Schwelgen in Erinnerungen ja so richtig die konzertlose Zeit vertreiben. Am besten natürlich mit feiner Country-Musik, die im Hintergrund läuft. Idealerweise sogar mit einheimischen Tonträgern, wovon es schliesslich haufenweise und bärenstarke gibt. Bluegrass zum Beispiel, das passt zu jeder Tages- und Nachtzeit – und zu jeder Flasche Wein, egal, ob die dann auch einheimisch ist oder nicht (es kann ruhig auch ein feiner Franzose sein – ist schliesslich meine zweite Heimat). Also, fahren wir weiter in unserem Geschichtszug: Wir bleiben erneut beim Bluegrass und freuen uns, etwas mehr über eine Brothers-Band aus dem Kanton Solothurn zu erfahren. Brothers gibt’s im Bluegrass bekanntlich sehr berühmte: Stanley Brothers, Gibson Brothers, Osborne Brothers, Krüger Brothers – und, Mitte der 80er-Jahre in Gerlafingen gegründet, eben die Wäfler Brothers.

Ihre Geschichte begann 1985; drei musikbegeisterte Brüder formierten sich zu einer Band. Konrad „Kongo“ Wäfler, Kurt „Kudi“ Wäfler und Hans Wäfler – dazu Kongos Frau Gisela Wäfler. Ein Quartett also. Am Anfang spielten alle Gitarre; eine reine Gitarrenband, ziemlich speziell und wohl nur was für ganz verrückte Gitarrenfreaks. Auf jeden Fall kaum zukunftsfähig, und deshalb wechselte Hans schon bald zum Five-String-Banjo und Gisela zum E-Bass. Jetzt war die Truppe schon etwas näher am Klang ihrer Vorbilder: Flatt & Scruggs, Ricky Skaggs, Ralph Stanley oder auch mal ein Schuss Cajun und modernerer Country. Von allem Anfang an ein Wäfler-Markenzeichen waren hingegen die Leidenschaft und das Gespür für mehrstimmigen Gesang. Eine professionelle Karriere wurde nie ins Visier genommen, doch die Truppe begann Ende der 80er-Jahre, sich fein säuberlich ein Repertoire aufzubauen und bei gelegentlichen Auftritten zu wachsen. Der Spirit war immer offen, und so gab es in der gesamten Zeit ihrer Laufbahn auch mehrere Formationswechsel. Der erste schon mal 1989, als sich Chrigu Mischler mit seiner Mandoline der Gruppe anschloss und sie zu einem Quintett erweiterte. Ein Jahr später bereits der nächste Wechsel: Hans und Chrigu verliessen die Band; Gisela, Kongo und Kurt spielten als Trio weiter, und Kurt schaffte sich schon bald als Bonus auch die Mandoline drauf. 1991 wagte sich dieses Trio vorsichtig ans Abenteuer eines ersten Tonträgers – die CD war damals noch eher ein Luxus, also wurde es eine Demo-Kassette mit sechs Songs. 1992 wechselte Gisela vom E-Bass zum Kontrabass, was den Sound der Wäflers noch erdiger und glaubwürdiger machte. 1993 war offenbar ein einschneidendes Jahr: Das Trio wurde zum Quintett mit Thierry Hadorn am Banjo und Christophe Huguenin am Dobro. „Ab diesem Zeitpunkt haben wir richtig Bluegrass gespielt“, meint Gisela Wäfler heute. Hadorn und Huguenin sind zwei Cracks aus der welschen Country- und Bluegrass-Szene, beide aus La Chaux-de-Fonds – also keine Weltreise von Solothurn entfernt. „Die Verständigung war manchmal ganz lustig, etwas Deutsch, ein bisschen Französisch und Englisch, ausser uns verstand meist niemand, worum es ging“, meint Gisela schmunzelnd. Auf jeden Fall waren beide eine grosse Bereicherung; sind ja auch keine Unbekannten – Hadorn spielte in Formationen wie Roots Of Grass oder Redhook, und Huguenin begann schon 1983 als Schlagzeuger in der Rockabilly Band The Jayhawkers, bevor er dann seine Liebe zur Lapsteel und zum Dobro entdeckte, ebenfalls bei Roots Of Grass und Redhook mitwirkte, beispielsweise aber auch bei New Country Rain, movinGrass, Tomahawk oder der Bluegrass Gang.

Die Reise der Wäfler Brothers nahm Fahrt auf; die eigentliche Feuertaufe war wohl ihr erster Auftritt auf einem ausgewachsenen Festival: 1994 beim legendären Bluegrass Festival auf dem Thuner Grunderinseli. Diese Veranstaltung wäre übrigens – wie unzählige andere in der Schweiz – problemlos eine eigene Kolumne wert. Für den 4. Juli 2020 hatte der Aare Valley Country Club (schon wieder ein Thema für eine Geschichte – da soll noch einer behaupten, dass mir je der Stoff ausgehen wird) die 35. und letzte Ausgabe dieses wunderbaren Festivals geplant, welches aber wie viele Festivals abgesagt werden musste und nun am 3. Juli 2021 stattfinden wird. Zum Zeitpunkt der Wäfler-Feuertaufe, damit wir es auch ganz genau nehmen, wurde das Grunderinseli-Festival allerdings noch vom Country Club Thun organisiert, erst ab 1996 kümmerte sich der Aare Valley Country Club um dieses traditionsreiche Event. Bleiben wir bei den Wäflers: Sie führten das Rochadenspiel weiter, als 1995 Gisela vom Bass zur Gitarre und umgekehrt Kongo von der Gitarre zum Bass wechselte. Ein Jahr später schliesslich löste Arnold „Jesse“ Zobrist Thierry Hadorn am Banjo ab; ein toller Musiker, ein humorvoller Kauz – und wiederum kein Unbekannter: Zobrist spielte bei Jeff Turner (1988–1993), bei Higher Ground (ha, ich war bei dieser Band dabei, was haben wir gelacht mit „Nöudu“ zusammen!), bei Claudia & Country Line, Andy Martins Valley Band, Cherokee und Redhook. Die Wäflers waren jetzt auf jeden Fall top und nutzten die Gunst der Stunde, um ihre erste CD einzuspielen: „Wäfler Brothers – Traditional Bluegrass“ mit 14 Stücken von Are You Missing Me über Somehow Tonight bis Nine Pound Hammer. Getauft wurde das Album am 25. Januar 1997 in Bolken; als Plattengötti ein langjähriger Freund der Band, Roland Jutzeler vom Restaurant Kreuz in Lyssach (wo die Wäflers bis 2006 regelmässige Jamsessions durchführten). „Roland war eigentlich schuld, dass wir überhaupt mit Auftritten begannen damals“, erinnert sich Gisela.

Beim Übergang ins neue Jahrtausend wieder zwei Wechsel; 2000 verliess Christophe Huguenin die Band, und Cornelia „Connie“ von Arb-Ritschard löste Arnold Zobrist am Banjo ab. Ritschard, eine junge formidable Banjospielerin aus Bettlach/SO, begann 1999 in der Zürcher Band No Generation Limits und gehört nun bereits seit 20 Jahren zur Wäfler-Familie. Weiter ging’s, 2002 stiess ein gewisser Achim Budde zur Truppe – den kennen wir doch, ja, es ist der fantastische Fiddler, über den wir in der letzten Ausgabe (Frets Unlimited) gesprochen haben. Die Wäflers waren in Hochform und absolvierten 2007 in dieser Besetzung einen ihrer wohl wichtigsten Auftritte: am Sonntag beim ehrwürdigen Country-Festival in Gstaad. 2010 verliess Achim Budde die Band und wurde von Daniel Frey abgelöst, auch Frey ein viel beschäftigter Mann auf der Fiddle (Morning Dew, Blue Sky, Sunny Side Up, Blue Valley Drifters, Tabea & Blue Sky) und auch er wie Connie von Arb-Ritschard bis heute bei den Wäflers. Im gleichen Jahr 2010 feierten die Wäflers ihr 25. Jubiläum, spielten bei dieser Gelegenheit ihre zweite Platte ein und tauften sie selbstredend „25 Years“. Ein feines Werk mit lauter Perlen wie Lonesome Road Blues, Cotton Eyed Joe oder Salty Dog. Getauft wurde das Album am 29. Januar 2011 im Rahmen der Swiss Bluegrass Night in der Mahogany Hall in Bern; Plattengötti ein gewisser Res Nobs, „ein super Musiker und Freund!“, betont Gisela. Nobs muss man in der Bluegrass-Szene nicht mehr vorstellen (Fritz & Friends, Rosewood Delight, Blue Graze, Bluegrass String Quartet, Blue Lizard, Bluegrass Beans, siehe auch Country Style Nr. 106, Seite 43), er spielt auch heute noch gelegentlich als Aushilfe mit den Wäflers.  

2011 dann nochmals Zuwachs mit der Dobro-Spielerin Ruth Iseli aus Ettingen/BL. Natürlich auch sie keine Unbekannte – in unserer Szene gibt’s keine Unbekannten, alle sind irgendwie vernetzt, das ist das Wunderbare. Ruth spielte bei Timberline und wirkte früher bei Allmost Heaven, Licks sowie bei der Gregory Larsen Band mit. Heute ist sie festes Mitglied bei der Ally Mustang Band. Die Wäflers also mittlerweile ein Sextett, und in dieser Besetzung sind sie bis heute unterwegs: Gisela Wäfler (Gitarre, Gesang), Connie von Arb-Ritschard (Banjo, Gesang), Ruth Iseli (Dobro), Kongo Wäfler (Kontrabass, Gesang), Kurt Wäfler (Mandoline, Gesang), Daniel Frey (Fiddle). Im Rucksack viel Bühnenerfahrung; unzählige Auftritte bei Hochzeiten, Geburtstagen oder Firmenanlässen, Konzerte bei etablierten Bluegrass-Festivals (Grunderinseli Thun/BE, Pantli Schaffhausen, Grabenmühle Sigriswil/BE, Schloss Stettfurt/TG, Waldhütte Stetten/AG, Col des Roches/NE, Willisau/LU, Bluegrass in Basel, Dorneck Festival Gempen/SO und natürlich Mahogany Hall Bern). Im Juni wären sie beim Greenvalley Festival of Bluegrass Music in der HSR-Arena in Ramsei/BE dabei gewesen, welches auf den 18. bis zum 20. Juni 2021verschoben werden musste. Wichtig für die Wäflers auch die Tradition der regelmässigen Jamsessions; früher im Restaurant Kreuz in Lyssach/BE und im Restaurant Zum Weissen Kreuz in Gerlafingen/SO, seit 2017 bei Maya Liechti im Restaurant Frohsinn in Etziken/SO, jeweils am zweiten Freitag jeden Monats. („Wer Lust und Zeit hat, darf gerne kommen.“) Gisela und Kongo sind oft auch beim Schmitte-Jam in Steffisburg/BE und beim alljährlichen Bluegrassjam in Bowil/BE, organisiert von Bänz Hadorn und Familie. Eine authentische und sehr sympathische Bluegrass-Formation sind die Wäflers; wir bedanken uns herzlich für ihr Wirken und wünschen weitere erfolgreiche Jahre.