Bluegrass Beans

Bluegrass Beans

Nächster Halt: Zentralschweiz

Unser Zug rollt nun schon einige Jahre; ich benutze die Gelegenheit, mich an dieser Stelle mal herzlich zu bedanken – bei der Redaktion für die offerierte Plattform und bei euch Lesern und Leserinnen für die zahlreichen Feedbacks zu meiner Kolumne über die Geschichte der Schweizer Country-Musik. Es hat mir stets enorm Freude bereitet, zu recherchieren, zu kommentieren und das Entstehen unserer Szene zu dokumentieren. Keine Angst, das soll jetzt hier kein Adieu werden …

… ich möchte weiter über die Schweizer Szene schreiben. Allerdings werde ich allmählich definitiv vermehrt „jüngere“ Bands beleuchten, die erst nach der Jahrtausendwende gegründet wurden. Was vor 20 Jahren passierte, hat ja mittlerweile auch bereits wieder historischen Charakter. Eine Bluegrass-Band, die 2001 in der Zentralschweiz gegründet wurde, hat jedenfalls ganz schön Geschichte geschrieben; mit handgemachter Musik, mit authentisch-humorvollem Auftreten – und mit einem Outfit, das zwar unfreiwillig, aber sehr gekonnt zum Markenzeichen geworden ist. Die Band nennt sich Bluegrass Beans, und mit dem Outfit sind Latzhosen gemeint …

Im Grunde wurzelt auch diese Geschichte noch im alten Jahrtausend; zwei Kumpels, Adrian „Zubi“ Zuber aus Schachen bei Luzern und Erich Ritter aus dem Knonauer Amt, machten Ende der 1990er-Jahre erste Erfahrungen in einer Country-Band – bei The Hobos, einer 1998 von Franz Arnold aus Cham ins Leben gerufenen Combo (die noch heute unterwegs ist). Während Erich bereits seine geliebten sechs Gitarrensaiten bediente, sass Zubi damals noch hinter dem Schlagzeug – heute spielt er Mandoline. Doch der Reihe nach: Musik aus Amerika, das war im Grunde bereits die Richtung, aber im Detail war es noch nicht das Ziel. Beim Besuch eines Bluegrass-Konzert-abends im Albisgütli machte es dann definitiv klick; diese einzigartig knisternde Atmosphäre fesselte die beiden, die Faszination des natürlichen Sounds, den die Musiker mit ihren akustischen Instrumenten produzierten – es wurde zum berühmten Schlüsselerlebnis. „Das ist die Musik, die uns gefällt“, wussten die beiden im selben Augenblick. Zubi und Erich begannen unverzüglich, sich ernsthaft mit Bluegrass-Musik auseinanderzusetzen. Und beide waren sich sofort bewusst: „Was wir bisher auf unseren Instrumenten gelernt hatten, war gut und recht, aber es hatte mit Bluegrass wenig zu tun.“ Speziell Zubi, der bis dahin überzeugter Schlagzeuger war, musste einsehen, dass sein Instrument im Bluegrass schlechte Karten hatte. „Früher dachte ich, es gibt nichts Schöneres als ein Schlagzeug“, erinnert sich Zubi, „doch es war anstrengend zu transportieren – da schlug mir Erich vor, ich soll‘s doch mit der Mandoline versuchen.“ Erich ergänzend schmunzelnd: „… ist ja fast das Gleiche, haha.“ Es ist wohl mehr als nur Ironie – bekanntlich hat die Mandoline im Bluegrass tatsächlich (ausser bei den Solo-Parts) vor allem die Rolle, den Rhythmus zu stützen, den Groove zu akzentuieren.

Das alles passierte ungefähr um die Jahrtausendwende herum; im August 2001 gründeten Zubi und Erich, ohne zu zögern, eine Band und nannten sie Bluegrass Beans – erst mal zusammen mit Urs Lustenberger am Banjo und Marcel Omlin am Kontrabass. Die Suche nach der richtigen Bandkonstellation ist nicht immer einfach; sehr bald schon drängte sich ein erster Wechsel auf am Kontrabass. Bassist Hugo Imgrüth, ein eingefleischter Bluegrasser, soll zuerst beinahe erstickt sein – bei der Anfrage, ob er bei den Bluegrass Beans spielen wolle. Er sagte schliesslich zu und blieb bis 2017. Die Beans suchten so schnell wie möglich die unverzichtbare Erfahrung auf der Konzertbühne und spielten ihren ersten öffentlichen Auftritt 2002 beim Over Easy Bluegrass Festival auf der Open Stage. Dieses 1989 von der Over Easy Bluegrass Band in Schaffhausen lancierte Festival (das seit 2006 leider nicht mehr stattfindet) hatte einen hervorragenden Ruf – auf der Hauptbühne konnten die Bluegrass Beans renommierte Stars wie Danny Santos & The Bluegrass Vatos (USA), Blue Side Of Town (D/F) featuring Kim Carson (USA) oder die heimische Bluegrass Family bewundern.

Die Reise von Zubi, Erich und Co. ging weiter; sie übten ehrgeizig und verpassten keine Chance, auf einer Bühne zu spielen. Der enorme Aufwand, den man betreiben muss, um eine Band am Leben zu erhalten, provozierte auch bei den Bluegrass Beans einige Musikerwechsel: Im Mai 2004 löste Gerry Carisch das Gründungsmitglied Urs Lustenberger am Banjo ab; Carisch blieb bis Ende 2011 – dann kam der für den heutigen Sound der Beans wohl massgeblichste Wechsel, als 2012 der in der Szene renommierte Berner Banjoplayer Andreas „Res“ Nobs definitiv der Gruppe beitrat. Der Wechsel war problemlos, da Res bereits früher hin und wieder bei den Beans als Ersatz eingesprungen war. Und weil Res natürlich ein Virtuose ist; er war und ist Mitglied zahlreicher Bands (Blue Lizard, Fritz & Friends, Rosewood Delight, BlueGraze, Bluegrass String Quartet) und wird in Country-Bands auch immer wieder gern als Gastmusiker engagiert. Res Nobs ist für die Beans bis heute ein wichtiger Eckpfeiler geblieben; aus seiner Feder entsteht manch ausgeklügeltes Songarrangement. Seine hohen Ansprüche sorgen bei den Bandkollegen ab und zu für rauchende Köpfe – doch letztlich ist es Res, der die Truppe immer wieder daran erinnert, dass der Sound zwar die Unterhaltung bietet, aber … erst die Finesse die wahre Musik ausmacht!

Im August 2017 fand der jüngste Wechsel statt; Hanspeter Adam löste Hugo Imgrüth am Kontrabass ab. Wiederum ein reibungsloser Wechsel; Hanspeter Adam war öfter bei den Beans eingesprungen, hatte bereits reiche Erfahrung im Rucksack, spielte schon in den 1970er-Jahren in Rock-Bands und wirkte später bei unzähligen Bluegrass- und Country-Formationen mit (Cambly Brothers, Emergency Lane, Redhook, Frets Unlimited, Rosewood Delight, Timbertrain, Rio Grappa). Genau wie Res Nobs bringt auch Hanspeter Adam bis heute immer wieder neue Akzente, was unweigerlich zur Weiterentwicklung der Bluegrass Beans beiträgt. Mit einem verschmitzten Lächeln verziert er jeweils eigentlich schon fertig gedachte Lieder so, dass auch der Rest der Band ein breites Grinsen aufsetzt und ruft: „That‘s it!“

Seit 2002 spielte das eingefleischte Quartett auf unzähligen Bluegrass-Bühnen und bei renommierten Festivals, trat mittlerweile bereits viermal bei Bluegrass-Nights im Albisgütli auf (unter anderem mit den Krüger Brothers und mit Dailey & Vincent), spielte 2021 bei der Country Night in Gstaad, war erfolgreich bei der Country Music Cruise 2019 dabei (wo ich das Vergnügen hatte, die Jungs persönlich kennenzulernen) und spielt im Moment (8. bis 15. September) auch gerade bei der ersten „Country Music on the River“-Donaufahrt.

Mit bisher zwei Tonträgern (2009 CD „Traditional – Handmade“, 2016 CD/DVD „Live im Albisgütli“) im Koffer und mittlerweile mit handgemachten Gitarren und Mandolinen, die Erich Ritter mit grosser Leidenschaft in der eigenen Werkstatt herstellt, wird die Reise dieser sympathischen Band hoffentlich noch lange weitergehen; wir freuen uns auf neue Taten, auf ihre mit Humor und Bescheidenheit vorgetragene Bluegrass-Kunst – und auf ihre mittlerweile ziemlich reichhaltige Kollektion an Latzhosen. Ach ja, was es mit diesen Latzhosen auf sich hat, bleibe ich noch schuldig: Es ist tatsächlich kein kalkulierter Marketingtrick, sondern passierte aus Zufall: Damals, vor dem allerersten Konzert, hatte Zubi einfach nichts anderes im Schrank, und es sollte einheitlich sein. „Die Leute konnten sich nicht an den Namen erinnern, sondern an die Latzhosen; wir fanden diese Dinger zudem richtig bequem – und zogen es deshalb durch, bis heute.“