Tobey Lucas – Troubadour x Guitar-Hero

Tobey Lucas (Bild: Werner Büchi)
Tobey Lucas (Bild: Werner Büchi)
„Ich wollte von Anfang an ein richtiges Gitarrenalbum machen, das war meine wichtigste Vorgabe“, erklärte der Zürcher Singer/Songwriter/Gitarrist Tobey Lucas, der im April 2018 sein zweites Album „Little Steps And A Dream“ veröffentlichte. Beinahe fünf Jahre sind seit Erscheinen seines Erstlings – dem bemerkenswerten Album „83“ – vergangen. Im Country Style-Interview erzählte er, was in dieser Zeit so alles lief oder auch nicht lief.

Er ist ein moderner Troubadour mit einem grossen Herz für Country- und Americana-Musik, aber auch für Gitarrenrock im Stil von Tom Petty, den er zu seinen Vorbildern zählt. Auf seinem Debütalbum von 2013, das im Grunde ein kühnes öffentliches Geburtstagsversprechen zum 30. an sich selbst war, erkundete er abwechslungsreich und eingängig die Facetten der Americana-Musik mit starken Country-Einflüssen. Mit dem überaus gelungenen Nachfolger (CD-Besprechung im letzten Heft) setzt er seine Americana-Entdeckungsreise weiter fort. Diesmal aber auf der rockigeren Seite des Spektrums.

Fünf Jahre zwischen zwei Alben sind ein beträchtlicher Zeitraum. Was passierte in dieser Zeit? Nachdem „83“ herausgekommen war, spielte ich in den letzten Jahren Hunderte von Konzerten. So viele, dass ich die Anzahl nicht einmal mehr selbst genau weiss. Es könnten leicht über 300 gewesen sein. Daneben schrieb ich Songs für „Little Steps And A Dream“ – 32 Lieder, wovon es dann zehn von mir auf das Album schafften. Und weil ich nach wie vor alles selbst mache – Administration, Marketing, Promotion etc. –, ging dafür natürlich auch viel Zeit drauf. Hinzu kam noch eine intensive Gesangsausbildung bei Morgan Voice Coaching, wo ich ein halbes Jahr lang fast täglich Gesangsunterricht nahm. Ursprünglich wollte ich das neue Album bereits 2016 herausbringen, aber das funktionierte nicht. In jenem Jahr passierte einfach zu viel, auch im Privaten. Ich machte jedoch einen Mix des Albums in Nashville und peilte 2017 als neues Erscheinungsjahr an, aber der Mix kam unbefriedigend heraus. Die beteiligten Musiker und ich waren irgendwie nicht genug „on fire“ gewesen. Dann kam Georg Schlunegger von Hitmill, der z. B. mit Anna Känzig Lion Heart (Anm. d. Red.: die offizielle Hymne der Aktion „Jeder Rappen zählt“) komponiert und produziert hatte, auf mich zu; er hatte mitbekommen, dass es mit meinem neuen Albumprojekt nicht richtig voranging. Als einer der erfolgreichsten Hitkomponisten und -produzenten des Landes, jedoch von eher poppiger bis folkloristischer Musik (Schluneggers Heimweh), hatte er Lust auf ein etwas anderes Projekt und bot mir an, einen meiner Songs versuchsweise neu zu mischen. Bereits etwas der Verzweiflung nahe, hätte ich wohl zu allem die Hand geboten – Hauptsache, raus aus der Sackgasse. Weil er mein Album aus Zeitgründen dann nur nebenher produzieren konnte, dauerte das Ganze noch einmal etwas länger, aber im Oktober 2017 war es dann im Kasten. Rückblickend war aus dem angedachten Erscheinungsjahr 2016 bloss eine Findungsphase geworden, weil nicht viel zusammenpassen wollte und so einiges dazwischen kam.

Wie würdest Du Dich selbst künstlerisch und musikalisch einstufen? Ich sehe mich weniger als Künstler denn als Handwerker. Singen, Gitarre spielen, Lieder schreiben – das ist meine Arbeit, allerdings eine, die ich liebe.

… und musikalisch? Im Zentrum steht für mich die Gitarrenmusik, auch wenn sie in letzter Zeit schon oft totgesagt oder –geschrieben wurde. Bei meinen Auftritten, z. B. kürzlich beim Country-Festival in Schaan/FL, oder bei Besuchen beim Albisgütli-Coun­try-Festival stellte ich wiederholt fest, dass das Publikum und der Geschmack immer heterogener werden. Hier sehe ich meine Funktion: als Brückenbauer zwischen dem traditionellen und dem immer weniger traditionellen Weg. Ich nenne meine Musik mittlerweile Nashville-Stil. Für weniger mit den Charakteristika der verschiedenen Genres vertraute Ohren hört sich mein Sound nach Country an, für Coun­try-Hörer nach Rock.

Es ist von Dir bekannt, dass Du beim Songwriting nicht Dein Innerstes ausbreiten magst, sondern bevorzugt Geschichten – vorzugsweise Dritter – verarbeitest, auf die Du stösst. Gibt es dafür einen besonderen Grund? Bei mir gibt es gewisse Grenzen, was das Private angeht. Auch auf Social Media sind von mir eigentlich keine Privatfotos zu sehen. Natürlich gibt es auch in meinem Leben berührende Momente – auch schmerzliche –, und das eine oder andere davon fliesst dann schon irgendwie in meine Songs oder in die Figuren darin ein, aber generell will ich mein Innerstes nicht mit der ganzen Welt teilen. Das ist nicht mein Ding, und das machen andere schon zur Genüge.

Zum neuen Album: Im Moment läuft Our Last Ride gelegentlich bei diversen Radiostationen, u. a. Radio Swiss Pop. Ist das die erste Auskopplung? Nein, im vergangenen Oktober erschien bereits der Titelsong Little Steps And A Dream als Leadsingle. Nachdem ich für eine ziemlich lange Zeit keine Single mehr herausgebracht hatte, sollte das Titellied der Teaser für das kommende Album sein. Anfang März kam dann Our Last Ride dazu, und SRF1 spielt gelegentlich auch noch Dear Peggy Sue.

Die Platte ist von der Produktionsseite her wuchtig herausgekommen. Da wurde aus dem Vollen geschöpft. War das der Plan? Der ursprüngliche Nashville-Mix war eher brav. Aber mit Georg Schlunegger kam ein neuer Ansatz – er hat die Songs richtig aufgeblasen. Obwohl er eher poppig tickt, konnte er sich dank seiner Musikalität voll hinter meinen Anspruch stellen: radiotauglich, aber trotzdem etwas für Musikfans sollte es werden. Ein Leisetreteralbum voller Gitarrenriffs wäre ja auch nicht stimmig gewesen.

Schönes Songwriting und tolle Melodien sowie gute Produktion. Was gefällt Dir selbst am besten an Deiner neuen Platte? Kommt darauf an – weil ich oft in ganz unterschiedlichen Formationen auf der Bühne stehe, kommt es natürlich vor, dass die einzelnen Songs, z. B. bei abgespeckter Instrumentierung, wieder ganz anders klingen. Aber mit der Band in Vollbesetzung können wir es wie auf Platte auf die Bühne bringen. Und ich selbst höre das Album immer noch gern, weil ich den Musikern darauf einfach gern zuhöre.

Besten Dank für das Gespräch.