Wenn man auf der Website kevindeal.com/stonework-portfolio anschaut, was der Mann so alles aus Stein und Beton zusammenbaut, dann darf man getrost diese Topkreationen auch von seinen Songs erwarten. Kevin Deal ist schlicht ein Multitalent und auch mit gut 60 Jahren noch täglich auf der Baustelle zu finden. Nachts dann eher in den Songwriter-Joints und Honkytonks in Texas. Beim Family Gathering von Tommy Alverson nutzte ich die Gelegenheit für ein Interview mit diesem Künstler und Handwerker.
Bruno Michel: Kevin, Du bist seit 40 Jahren verheiratet und hast fünf Kinder. Deine Baufirma feiert demnächst ebenfalls das 40-jährige Jubiläum. Dazu bist Du in der freiwilligen Feuerwehr aktiv und im Gemeinderat Deines Wohnorts. Nach zehn Jahren Pause hast Du in den 90er-Jahren wieder begonnen, Deine Musik unter die Leute zu bringen. Wie schaffst Du es, Familie, harte Knochenarbeit und abendliche Auftritte unter einen Hut zu bringen? Kevin Deal: Richtig. 2023 feiert meine Firma K. Deal Masonry Inc. den 40. Im Gemeinderat habe ich aufgehört. Das wurde mir einfach zu dumm. Wenn Du meinst, es sei schlimm in Austin oder Washington D.C., dann befass Dich mal mit Politik in texanischen Kleinstädten. Oh Gott, da kann es ziemlich schnell wirklich messy werden. Also habe ich nach 14 Jahren aufgehört. Aber in der Feuerwehr bin ich immer noch und auch schon 20 Jahre. Dazu, wie Du sagtest, eine grosse Familie mit mittlerweile 13 Enkeln. Keine Ahnung, wie ich das immer noch schaffe (lacht).
Nun, im Alter zwischen 60 und 70 Jahren überlegt sich wohl jeder langsam, ob er sich pensionieren lassen will. Einige machen das, andere ackern weiter bis zum Umfallen. Du bist kürzlich in diese Altersgruppe gerutscht. In welche Kategorie gehörst Du? Ich muss wohl noch einige Zeit weitermachen. Kürzlich habe ich nachgeschaut, wieviel Social Security ich bekommen würde, und da wurde mir klar, dass dies bei Weitem nicht reicht. (Red: Social Security, die US-Version der AHV, ist hier reichlich unterdimensioniert). Die Politiker in D.C. geben sich selbst zwar dauernd Lohnerhöhungen, aber die Pensionierten bekommen bei Weitem nie den Teuerungsausgleich kompensiert.
Deine Kreationen aus Stein sind unglaubliche Kunstwerke. Genau wie Deine Songs. Gibt es Gemeinsamkeiten bei der Kreation eines Bauwerks und eines Liedes? Ja. Um solide Dinge zu bauen, brauchst du ein gutes Fundament. Das gilt auf der Baustelle genauso wie beim Liederschreiben. Als ich jung war, kam das Fundament eines Songs mit der Melodie. Heute entsteht bei mir eher der Text zuerst, und dann baue ich die Melodie drum herum. Da ich nie eine Musikausbildung hatte, weiss ich meist nicht, in welcher Tonlage ich den Text singen und die Melodie spielen soll. Dann gehe ich ins Studio, und Lloyd Maines hilft mir, das, was in meinem Kopf rumschwirrt, zu einem fertigen Song auszubauen …
… wie ich vorgestern Max Stalling schon sagte: Lloyd Maines ist eine Legende … genau. Ich glaube, das ist sein zweiter Vorname: Lloyd Legendary Maines.
Du sagtest einmal, dass selbst während Deiner Musikpause in den 80er-Jahren dauernd neue Songs in Deinem Kopf herumschwirrten. War schon damals auch die Melodie zuerst da oder die Story? Ich spielte in meinen Jugendjahren vorwiegend Rock’n‘Roll-Musik. Und da war immer zuerst das Gitarrenriff, das ich im Kopf hatte und einspielte. Danach schmiss ich Worte drum herum (lacht).
Was mir in meinen 15 Jahren hier in Texas immer wieder auffiel, ist, dass es kaum Konkurrenz gibt unter den Musikern unseres Genres. Es ist eher wie eine grosse Familie, wo jeder jedem hilft oder mit jedem zusammen Musik macht. Auch wenn, wie vor einigen Jahren bei der Band Two Tons Of Steel, ein ganzer Anhänger voller Instrumente geklaut wird, muss kein Gig abgesagt werden. Irgendeiner hat Verstärker und Instrumente zum Ausleihen bereit. Was bedeutet es für Dich, ein Teil dieser Familie zu sein? Nun, im Allgemeinen stimmt, was Du sagst. Sicher gibt es auch Konkurrenzdenken, das ist aber selten. Stimmt schon, ich liebe es, habe viele gute Freunde gewonnen. Die meisten waren sehr nett zu mir – und ich zu ihnen, so gut es geht, auch. Man kann nicht mit allen auskommen, aber man kann‘s versuchen.
Was sind Dinge, die Leute nicht von Kevin Deal wissen? Keine Ahnung. Ich bin eher wie ein offenes Buch. Vielleicht, dass ich viele Filme schaue. Aufgrund meines Tagesjobs kann ich Dir bei jedem Film sagen kann, ob die Steinbauten echt oder Fake sind. Beim Film „Braveheart“ zum Beispiel, alles Steinimitationen. Und bei einem meiner Auftritte in Irland sagte mir ein Freund, dass nicht mal die Story des Films echt ist.
Dein letztes Projekt, „The Long Road Home“, kam 2019 heraus. Gibt es neues, auf das sich die Fans freuen können? Ich habe einige neue Songs fertig. Ich muss einfach mal Zeit finden, ins Studio zu gehen. Momentan haben wir fast zu viele Bauprojekte, genauso wie schon in Covid-Zeiten, als zwei meiner Söhne ihren Job verloren und für mich zu arbeiten begannen. Nie hatte ich so viele Anfragen wie damals, und es hält bis heute an. Somit kam die Fertigstellung einiger weiterer Songs zu kurz, und ich muss dies nachholen, damit es für ein ganzes Album reicht. Es ist wirklich an der Zeit. Falls es bis nächsten Juni nicht passiert und Du mich siehst, gib mir einen Tritt in den Hintern und erinnere mich.
Wir werden eben alle älter, und alles dauert etwas länger als früher … … sag nichts. Ich darf es kaum erzählen, aber ich gehe mittlerweile regelmässig zweimal wöchentlich zum Chiropraktiker, um meinen Rücken zu entspannen und den Rest auch. Der fragt mich, wie es mir geht, und ich sage: „Ich bin ein junger Mann, gefangen in einem alten Körper“ (lacht). Hoffentlich klaut keiner die Idee, aber ich glaube, das gibt einen neuen Song von mir.
Wenn Kevin Deal kein Kunstmaurer und Musiker wäre, was würde er heute machen? Keine Ahnung. Ich begann in der Highschool, eine Zusatzklasse als Baufacharbeiter zu besuchen. Ich wusste, dass ich nicht ins College wollte. Im letzten Schuljahr arbeitete ich halbtags bei einem Maurer als Lehrling. Dann war ich eine Zeit lang als Maurer angestellt, dann kamen Familie, Kinder, Firmengründung und so weiter. Also hatte ich gar nie Zeit, nachzudenken, was anderes zu machen.
Ist eines Deiner fünf Kinder bereit, in die Fussstapfen von Papa zu treten, sei es als Kunstmaurer oder als Songwriter/Musiker? Mein ältester Sohn spielte einige Zeit Bass in meiner Band. Momentan fokussiert er sich aber trotz Talent auf andere Dinge. Mein zweit-ältester ist ein harter Arbeiter, guter Junge. Aber er mag keinen Job, bei dem man dreckig wird. Der dritte Sohn arbeitete in meiner Firma während Covid, und ich versuche immer noch, ihn wieder zurückzukriegen. Dann meine Tochter. Die ist Bäckerin, und dazu eine sehr gute. Vielleicht schaffe ich es, ihren Ehemann bei mir einzustellen. Mein jüngster Sohn ist momentan bei der Luftwaffe und viel zu intelligent, um in Papas Fussstapfen zu treten. Eventuell klappt es mit einem meiner Enkel, falls ich lange genug durchhalten kann (lacht).
Letzte Frage: Wenn Du Kevin Deal interviewen würdest, welche Frage stelltest Du ihm, die ich nicht gestellt habe? Mann, keine Ahnung. Du hast praktisch alles gefragt, was es über mich zu wissen gibt. Oh, vielleicht, was mein Lieblingsgetränk ist. Ich mag dunkles Bier. Oder wie komme ich auf Songideen? Durch persönliche Erlebnisse, wie beim Titel Truck Stop By The Liquor Store By The Highway. Das spielte sich vor meinen Augen ab, und ich dachte: Hey, hier kommt ein Country-Song. Ein anderes Beispiel ist If You Hurt The Ones You Love, den fand ich lustig, meine Frau dagegen weniger (Gelächter). Guter Schlusspunkt. Vielen Dank für das Gespräch.