Haariges Wunder

Fliegende Mähne
Manchmal belässt man die Mähne auch lang und wild. (Bild: Angelika Schmelzer)
Es ist kuschlig und warm, riecht gut und fühlt sich toll an: Die Körperbehaarung unserer Pferde zieht uns Menschen magisch an. Dazu kommt das Langhaar, kommen Mähne und Schweif, die wild im Wind flattern oder elegant und grazil die Schönheit des Pferdes betonen. Wir erfreuen uns an ungewöhnlichen Farbschattierungen, schliessen aus dem Glanz des Fells auf das Wohlbefinden unseres Pferdes und putzen es tagtäglich hingebungsvoll. Für das Pferd dagegen ist sein Fell in erster Linie Teil der Haut und damit des grössten Organs seines Körpers. Es erfüllt wichtige Aufgaben und ist mit zahlreichen Funktionen ausgestattet.

Warm und trocken

Das Fell eines Pferdes überzieht fast lückenlos den gesamten Körper, wobei einige Regionen, wie etwa rund um die Nüstern, sehr dünn behaart sind. Dort wie auch im Augenbereich finden wir spezielle, sehr lange Haare, die „Vibrissen“ genannt werden. Es handelt sich um Tasthaare, wie im Schnurrbart unserer Katzen. Damit können Pferde erfühlen, was sich rund um ihre Nasen und Augen abspielt. Manchmal aber haben Pferde direkt im Nüsternbereich sogar richtige Schnurrbärte aus „normalem“ Fell, die aber keine Funktion erfüllen.

Ansonsten finden wir ein gleichmässiges Haarkleid, in dem die einzelnen Haare so wachsen, dass sie eine wichtige Schutzfunktion unterstützen. Das Fell ist in der Lage, Niederschläge abzuleiten und dafür zu sorgen, dass Regen abtropft und nicht bis auf die Haut durchdringt. Dazu hat es einen „Strich“, eine gemeinsame Wuchsrichtung, die grob von vorn-oben nach hinten-unten führt. Oben auftreffender Regen wird so an den Haaren entlang nach unten geleitet und tropft dann ab. Zusätzlich sorgen Wirbel und sogenannte „Fahnen“ dafür, dass Niederschläge von besonders empfindlichen Bereichen ferngehalten werden. Hier wachsen die Haare teils in Gegenrichtung und lenken den Strom der Tröpfchen um. Wer genau hinschaut, kann an einem scheinbar völlig durchnässten Pferd zwei interessante Details feststellen: Das Haarkleid hat sich zu kleinen abwärtsgerichteten Dreiecken zusammengelegt, sodass an dessen Spitzen Tropfen gesammelt und abgetropft werden. Wer das Haarkleid vorsichtig scheitelt, wird überrascht erkennen, dass es nur an den Spitzen nass und darunter völlig trocken ist. Das Wasser dringt normalerweise nicht auf die Haut durch, solange es nicht gerade stundenlang schüttet und stürmt – und vor allem wenn Haut und Fell annähernd naturbelassen erhalten sind.

Das Fell eines Pferdes ist auch eine gute Isolierung, die Kälte und Wind fernhält und vor Auskühlung schützt. Dazu wird es in unseren Breiten zweimal jährlich gewechselt und somit auf die kommende Jahreszeit eingestellt. Über das Winterhalbjahr ist ein naturbelassenes Pferdefell lang, dicht und gestuft, für den Sommer wird es gegen eine kurze, glatte Behaarung eingetauscht. In der Haut liegende winzige Muskeln können das einzelne Haar je nach Bedarf aufrichten oder flach anlegen. Ein flach anliegendes Haarkleid unterstützt die Abgabe von Körperwärme an die Umgebung, sind die Haare aber steil aufgerichtet, entsteht ein leistungsfähiges Luftpolster rundherum, das gut isoliert und das Pferd warm hält.

Pflege mit Augenmass

Damit Niederschläge dem Pferd nichts ausmachen, muss das Haarkleid vollständig sein – wird es geschoren, halten die kurzen Stoppeln den Regen nicht mehr ab. Ausserdem muss man dem Pferd seinen „Fettstaub“ belassen, eine pudrige Substanz, die von der Haut gebildet wird und die das Haarkleid wasserundurchlässig macht, sodass Tropfen daran abperlen. Häufige Waschaktionen mit Shampoo, aber auch die beliebten Pferdestaubsauger entfernen diesen Fettstaub und damit den Schutz vor Niederschlägen.

Pflege muss trotzdem sein, und das hängt auch damit zusammen, dass wir unsere Pferde so halten und nutzen, dass von Mutter Natur vorgesehene Putzaktionen nicht möglich sind oder nicht ausreichen. Wo Fell von Schmutz und Schweiss verklebt ist, kann es sich weder zu kleinen Dreiecken zusammenlegen und Niederschläge ableiten noch nach Bedarf aufgestellt oder angelegt werden. Wichtige Schutzfunktionen der Haut sind also gestört. Nasses Fell lässt sich natürlich auch nicht gut aufstellen, sodass jetzt die isolierende Funktion ebenfalls beeinträchtigt ist. In der freien Natur würden unsere Pferde sich jetzt vermutlich auf passendem Untergrund wälzen, um Nässe loszuwerden oder das Haarkleid zu scheuern, bis sich Schmutz und Schweissreste gelöst haben. Dann einmal kräftig schütteln, und schon funktioniert wieder alles wie gehabt! Auch Schubbern an Ästen und Baumstämmen sowie gegenseitiges Fellkraulen unterstützen die natürliche Fellpflege. In menschlicher Obhut ist nicht immer gewährleistet, dass diese Aspekte des Komfortverhaltens stets auch so ausgelebt werden können, wie es aktuell erforderlich ist, deshalb greifen wir Pferdefreunde zu Bürste, Kardätsche und Striegel und helfen nach.

Schönes Langhaar

Das Haar von Mähne, Schopf und Schweif wird „Langhaar“ genannt. Anders als die restliche Körperbehaarung unterliegt es keinem Fellwechsel, sondern wird stetig länger. Je nach Rasse und Einsatzgebiet, aber auch mit Rücksicht auf die jeweilige Haltungsform werden Mähne, Schopf und Schweif nur gepflegt, aber in ihrer natürlichen Länge belassen oder eben auf oft traditionelle Weise hergerichtet. Pferde in Robusthaltung behalten ihr Langhaar uneingeschränkt, da sie auch auf dessen Schutz angewiesen sind. Mähne und Schopf halten warm, Schopf und Schweif vertreiben Insekten. Im Turniersport ist es dagegen oft üblich, die Mähne zu kleinen Zöpfchen zu flechten und auch den Schweif zu stutzen, damit das Pferd besonders adrett aussieht. Im Westernreitsport schert man einen „bridle path“ im Genick, damit das Zaumzeug dort gut sitzt. Bei manchen Rassen werden wunderschöne Mähnenzöpfe geflochten und verziert. Traditionelle Frisuren kennen auch die Fjordpferde, denen man eine Stehmähne schert. Beim Scheren muss der Reiter übrigens darauf achten, weder Vibrissen zu entfernen noch die Ohren auszuscheren – das ist nicht erlaubt. Viele Kaltblutpferde tragen an ihren Beinen besonders lange Haare, die man oft „Federn“ nennt. Hier muss besonders sorgfältig gepflegt werden, damit sich darin nicht Schmutz und Nässe breitmachen und für Entzündungen sorgen.