Hämpi Ruf

Hämpi Ruf - Nashville Rebels
Bild: Thomas Entzeroth

Nächster Halt: Winterthur

Auf unserer Reise durch die Geschichte der Schweizer Country-Musik sind wir lauter grossartigen, originellen Persönlichkeiten begegnet, die entweder allein oder als Team für unsere Szene ein Segen waren und sind. Die Reise geht weiter – einer darf mit Sicherheit nicht fehlen, und er schaffte es, beides perfekt zu verbinden: den Selbstausdruck als prägender Frontmann und die Schaffung eines Gruppenspirits mit seinem Team. Die Geschichte begann in Winterthur, die Band hört seit 30 Jahren auf den Namen Nashville Rebels, und der Gründer heisst Hanspeter „Hämpi“ Ruf.

Anfang der 1970er-Jahre, mit zehn Jahren, wurde Hämpi Ruf zum Elvis-Fan, woran seine markante Haartolle noch heute erinnert. Rock ’n’ Roll prägte seine Jugend; das Taschengeld ging regelmässig für LPs von Elvis, Buddy Holly und Eddie Cochran drauf, und der sehnliche Wunsch, selbst Musik zu machen, entwickelte sich in hohem Tempo. 1977 gründete Hämpi mit 15 seine erste Schülerband, The Airlines. Mit 20 kam die grosse Liebe zum Country dazu, vor allem der Songtexte wegen, und während einiger Jahre ging der Winterthurer als singender und Witze erzählender Alleinunterhalter auf die Piste unter dem Namen Hillbilly Hämpi. Gegen Ende der 1980er-Jahre reifte der Entschluss, mehr daraus zu machen, eine regelrechte Band zu gründen. 1991 war es so weit, Hämpi formierte mit ein paar Kumpels zusammen die inzwischen legendären Nashville Rebels; der erfahrene Rockabilly-Bassist Michael Ehrismann, Schlagzeuger Marco Benvegnù, Leadgitarrist André Billwiller, Hämpi Ruf am Gesangsmikro und an der Rhythmusgitarre. Als gelegentlicher Gast zudem Pianist Hans-Peter „Hamp“ Ruosch (er war und ist der Mann hinter der ebenso legendären Boogie-Combo Hamp Goes Wild, wir werden demnächst auch über diese Formation berichten).

Der gefundene Name war ein perfektes Etikett für die Start-up-Band; „Nashville“ steht für Country, „Rebels“ für die wilde Rock’n’Roll-Komponente, und ein wenig nachgeholfen hat dabei auch der berühmte Film „Nashville Rebel“ von 1966 mit Waylon Jennings, einem der Grössten des Genres. Anfang der 1990er-Jahre war die Compact Disc als Tonträger das grosse neue Versprechen, und so verwundert es nicht, dass die Nashville Rebels bereits ein Jahr nach ihrer Gründung in den renommierten Hardstudios in Winterthur ihre Debüt-CD „Nashville Rebels And Friends“ einspielten. Das Album kam sehr gut an, und die Combo spielte so viel wie möglich auf der Bühne – mit Erfolg, weil eine Party mit den rebellischen Country-Musikern aus dem Zürcher Oberland garantiert war. Geprobt wurde von Anfang an und regelmässig in Töss in einem Luftschutzkeller unter der Turnhalle des Gutenberg-Schulhauses – im selben Raum übrigens, in dem sich die Rebels auch heute noch, nach 30 Jahren, jeden Dienstag zur Probearbeit treffen. So viel zum Thema ortsverbundene Konstanz.

Die Karriere der Winterthurer nahm schnell Fahrt auf und mündete 1994 schon mal in einem grossen Höhepunkt, dem verdienten Gewinn des begehrten Swiss Country Music Awards. Jetzt spätestens gehörten sie hierzulande zur A-Liga; Hämpi Ruf setzte deswegen zwar nicht voll auf die Karte Profi, blieb hauptberuflich Liftreviseur, doch seine Truppe spielte nicht nur auf Partys, sondern auch auf zahlreichen renommierten Bühnen, wie zum Beispiel im Country-Mekka Albisgütli. Das Rezept stets dasselbe: ein heisser Mix aus unsterblichen Country- und Rock’n’Roll-Hits, gewürzt mit Experimentierfreude und zahlreichen eigenen Songs, die nicht weniger zu begeistern vermochten. Und vor allem präsentiert mit einer stilsicheren, leidenschaftlichen Präzision. Die Nashville Rebels waren nun eine eingeschworene, erfahrene Liveband und gingen 1996 erneut ins Studio für eine zweite Platte – „The Eagle Always Flies Alone“, benannt nach Hämpis gleichnamigen Song, als Anspielung wohl auch auf Waylon Jennings’ 1990er-Album „The Eagle“.

Der Karrierezug rollte in gleichmässig zügigem Tempo weiter, bis er schliesslich unerwartet zum Stehen kam. Scheinbar für immer – die Nashville Rebels lösten sich aus verschiedenen Gründen 2004 auf und zelebrierten den Schluss mit einem spektakulären Abschiedskonzert beim Country-Festival im Albisgütli. Nun, manchmal frage ich mich, wo der Sinn in solchen Abschieds-und Comeback-Spielen liegt, aber Hauptsache, sie kamen wieder – Hämpi Ruf hielt es zum Glück nicht sehr lange aus ohne Musik und feierte 2005, also nur ein Jahr später, die Rückkehr der Nashville Rebels, wiederum im Albisgütli, versteht sich. Also doch kein Kopfbahnhof, sondern ein Durchgangsbahnhof; die neu formierte Truppe ging ihren Erfolgsweg weiter mit demselben bewährten Rezept. 2006 folgte ein drittes Album mit dem vielsagenden Titel „Country Learns To Rock“, und auf ihrer regelmässigen Tour bewiesen sie 2009 zum Beispiel, dass der Begriff „Rock“ für sie keinesfalls ein Fremdwort ist: In Winterthur, im damaligen Garden Club, spielten die Lokalmatadoren als Vorgruppe für die weltberühmten Uriah Heep – und mussten dabei regelrecht „abgeklemmt“ werden, weil vor dem eigentlichen Star einfach zu viel Stimmung aufkam und die Machtverhältnisse nicht ins Wanken geraten durften. 2011 schliesslich, anlässlich des 20-jährigen Bandjubiläums, ein viertes Album, „What The Hell Is Country?“. Eine Mischung aus Country, Rock, Blues, Boogie und Rockabilly war geplant, im letzten Moment wurde daraus aber eine Hommage an einen guten Freund, an den am 5. Oktober 2010 verstorbenen Gotthard-Sänger Steve Lee, zu dessen Andenken Hämpi in kurzer Zeit acht neue Songs schrieb. 

Der Weg der Nashville Rebels ging seither weiter mit einigen personellen Wechseln, jedoch mit dem bewährten Rezept und sogar ohne zweites Abschiedskonzert. Hoffen wir, dass es so bleibt; die Zeichen stehen zurzeit sehr gut, denn im Augenblick ist Hämpi Ruf mit seiner aktuellen Formation (Mike Haller an der Leadgitarre, Les Dormanowski am Keyboard, René Weber am Bass, Peter Bischofberger am Schlagzeug, Dave Haueter an der Technik) auf dem wohl abenteuerlichsten Trip seiner Karriere, seines Lebens. Mit Peter und Mike zusammen flog Hämpi im September nach Memphis, Tennessee, um in den legendären Sun-Studios eine Vinylplatte aufzunehmen; ein Traum, finanziert durch Crowdfunding und Hämpi selbst, an jenem Ort Musik aufzunehmen, wo schon Johnny Cash, Jerry Lee Lewis, Roy Orbison und Elvis magische Platten produzierten. Es war noch nicht mal wirklich sicher, ob der Traum nicht durch Corona im letzten Moment platzen würde – doch die Amerikaner liessen die Schweizer rein, weil sie nachweislich „etwas für Amerika tun“, der dortigen Musikindustrie einen Job verschaffen. Mit gutem Schweizer Geld lässt sich’s regeln in den USA – uns soll es nur recht sein, wir freuen uns auf ein spektakuläres neues Album einer Band, die uns mittlerweile seit genau 30 Jahren das Leben versüsst. Wir bedanken uns bei Hämpi und seinem Team; wir sind stolz auf euch, wünschen weitere, sagen wir mal 20 Jahre – und werden über das Memphis-Abenteuer hier selbstverständlich detailliert berichten.