Beim Auftritt von Anna Känzig und Tobey Lucas bei der Acoustic Night im Gewölbe des Alten Spitals herrschte so etwas wie Heimspielatmosphäre. Kaum ein Stuhl war frei geblieben, und das Publikum reichte von jung bis jung geblieben. Weil ein gegnerischer Fansektor fehlte, gab es bei diesem Besuch aus Zürich auch kein Raum für Dummheiten, dafür aber für Komödiantisches.
Das fing schon mit einer weiteren der bereits legendären Einführungen ins Programm von Gastgeberin Eva Gauch und ihrem kongenialen Programmchef Chris Rölli an, die diesmal ganz besonders launig ausfiel. Auch ein Traumpaar, die beiden, aber auch nicht verbandelt. Ob das der Grund ist, warum man dort noch nie Berichterstatter der „Schweizer Illustrierten“ oder der „Glückspost“ angetroffen hat? Anna Känzig fand jedenfalls, dass sie „noch nie so eine schöne Ansage erlebt“ habe wie an jenem Abend. Dann legten sie los.
Two Of A Kind vom grossartigen gleichnamigen Album (2020), das von Corona, wie so manch andere Musikproduktion auf der Welt zwischen Frühjahr 2020 und heute, in die schattige Ecke der „Lost Albums“ gespült wurde, war nicht nur ein Auftakt nach Mass, sondern auch Ausdruck einer engen musikalischen Verbindung, wie es im Land gegenwärtig geschlechterübergreifend kaum eine andere oder bessere gibt. Gleichfalls war es eine Gelegenheit, das Scheinwerferlicht auf Lieder zu richten, die im hiesigen Radio jetzt schon eine Weile zu den Standards heimischen Musikschaffens zählen und laufen. Tobey Lucas, der während der Promotion des Albums „Two Of A Kind“ von einer jungen Radio-DJ gefragt worden war, ob ihre Musik (von Anna und ihm) „radiotauglich“ wäre, konnte sich einen kleinen Seitenhieb Richtung Radiotauglichkeitsempfinden im hiesigen Äther nicht verkneifen. An jenem Tag musste es derart schwer erträglich gewesen sein, dass er auf der Hinfahrt nach Solothurn letztlich einen Schlagersender eingestellt hatte. Anna Känzig und Hong, der Geiger, der sie zum Gig begleitete, mussten ihren Gefühlen Schweigepflicht auferlegen – jedenfalls bis Gunzgen, wie sie augenrollend verriet. Hong schwieg auch dazu stoisch.
Im ersten Set spielten sie die Songs in der Reihenfolge wie auf dem Album. Der gute Eindruck einer gelungenen Abfolge bestätigte sich einmal mehr: Man hätte die Set-Liste kaum besser zusammenstellen können. Der Pausenkommentar eines bekannten und weit gereisten Musikfreundes aus dem Bärnbiet lautete denn auch: „erden gut!“ – himmlisch auf „Bärndütsch“. Zu diesem Eindruck trugen auch (wie immer) das Ohr und das Können von Martin „Tinu“ Kuhn an den Mischpultreglern bei. Sowie Hongs Violinspiel (sein Vater ist Chinese – daher der ungewöhnliche Name –, seine Mutter Schweizerin – von dort das hiesige Äussere), das bewies, dass sein skelettartig aussehendes Instrument tatsächlich eine Geige war. Auch wenn man zwischendurch immer wieder glauben konnte, dass er mit seinem Bogen einen modernen Heizungsradiator bearbeite. Eine auf leicht irritierende Weise faszinierende Darbietung.
In ihrer Diskografie steht auch A Million Years, der gefühlt ähnlich oft gespielte und gezeigte Grossverteiler-Weihnachtssong von 2019, der die beiden in ein breiteres öffentliches Bewusstsein und Licht rückte. Die Hintergrundgeschichte von Anna Känzig dazu, nämlich dass der Produzent des Werbespots „die Frauenstimme weglassen“ wollte, sorgte für ungläubiges Erstaunen und Heiterkeit zugleich, wenn man den TV-Spot und das Lied kennt. Den Song spielten sie gleich darauf, den TV-Produzenten und seinen Spot liessen sie weg. No hard feelings. Immer wieder interessant auch, wie viel Einfluss die US-TV-Serie „Nashville“ auf Country-affine europäische Musiker der jüngeren Generation hat. Hier kam das mit I Ain’t Leaving Without Your Love hübsch zum Ausdruck, das von dort stammte und von Haus aus auf zweistimmigen Harmoniegesang ausgerichtet ist. Einmal in den Südstaaten angekommen, war der Sprung rüber zu Peggy Sue, einem äusserst radiotauglichen Song von Tobey Lucas’ Album „Little Steps And A Dream“ (2017), nur noch ein kleiner. Dort verweilte man dann geografisch und stilistisch mehr oder weniger bis zur letzten Zugabe Down In Louisiana von seinem Debütalbum „83“ (2013).
Dazwischen gab es noch allerlei humorige Geschichten von den beiden, worunter die Entstehungsgeschichte des zeitweiligen Duos Känzig/Lucas, das kein Paar ist, der Brüller schlechthin war. Gänzlich unerwartet kamen dabei Tobey Lucas’ Fähigkeiten, humorvoll zu parodieren, herrlich zum Vorschein. Zwischendurch wähnte man sich in einem sehr ordentlichen Comedy-Programm. Zwei für den Preis von einem – für das Publikum war der Abend jedenfalls Vergnügen und Schnäppchen zugleich.
Dieser Artikel erschien in der Country Style-Ausgabe Nr. 133/2021.
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