Ob von Musikzeitschriften wie „Country Weekly“, Stars wie Ray Benson von Asleep At The Wheel oder DJs aus dem ganzen Land, John Arthur Martinez (kurz JAM) wird von allen Musikprofis in den höchsten Tönen gelobt. Seit seiner College-Zeit macht der Mann aus Marble Falls, Texas Musik, und seine 14. CD „For The Love Of Western Swing & Other Love Songs“ macht derzeit all jene auf ihn aufmerksam, die ihn bisher nicht direkt verfolgten.
Im Vorfeld seiner kommenden Schweizer Tournee (ab 27. Mai 2020) traf ich ihn in Burnet, Texas vor seinem Auftritt mit Songwriter-Kollege Mike Blakely zum Gespräch.
Bruno Michel: JAM, Du stammst aus Round Mountain zwischen Marble Falls und Johnson City. Wir haben da mal versucht hinzufahren, endeten aber in der Pampa. Wie war das damals in Round Mountain und wie ist es heute? JAM: Round Mountain ist eine kleine Rancher-Gemeinde. Es war ein cooler Platz, um als Junge vom Land aufzuwachsen. Früher gab es da mehrere Lokale, und es war der Treffpunkt für alle aus der Umgebung, die ein kaltes Bier geniessen und tanzen wollten. Manchmal hatten die Bars mehr Gäste, als Round Mountain Einwohner zählte.
Du kennst die Schweiz bald auswendig. Erinnerst Du Dich noch, wann Du das erste Mal dort warst? George, ein Promoter aus Frankreich, sah meinen Auftritt beim San-Antonio-Rodeo. Also brachte er mich nach Europa, wo wir unseren ersten Auftritt beim Country Rendezvous in Frankreich hatten. Dort war auch eine Dame namens Irene Schmidt aus der Schweiz. Sie besass mein erstes Album „On The Border“ und meinte, sie sei ein Fan meiner Musik. Sie fragte mich, ob ich in der Schweiz auftreten wolle. Logisch, dass ich zusagte. Mein erstes Konzert war, glaube ich, im Little Nashville Saloon in Liesberg/BL. Ich war begeistert, weil das Publikum sehr aufmerksam zuhörte, was ich zu bieten hatte.
Die meisten Deiner Songs schreibst Du selbst. Aber auch zusammen mit Deinem Freund Mike Blakely und anderen hast Du Lieder geschrieben. Was fällt Dir leichter: selbst einen Song zu produzieren oder im Team zu schreiben? Beides ist o. k. für mich. Es gibt keinen richtigen oder falschen Weg. Manchmal stelle ich einen Song fertig, bevor ich es selbst richtig merke. Ein andermal habe ich Teile davon und schreibe den Rest bei Kaffee oder Bier mit Kollegen wie Mike. Früher schrieben wir viel zusammen auf seiner Ranch in Marble Falls. Er hatte eine kleine Hütte im Wald, und dort waren wir oft. Heute lebt er nahe Fredericksburg, und wir treffen uns immer noch gelegentlich zum Schreiben.
Wie war das damals 2003 bei der ersten Staffel von „Nashville Star“, als Du den Song When You Say Nothing At All vorgetragen hast und weit vorn gelandet bist? Gab’s da den Traum von der weltweiten Superstarkarriere? Nun, die Leute hatten so viele positive Kommentare nach meiner Teilnahme. Natürlich kamen da solche Gedanken auf. Aber ich hatte schon zu Beginn meiner Frau gesagt, dass, wenn ich dort auftreten kann, ich auch meine eigenen Lieder präsentieren will. Ich wollte, dass die Leute mich als Songwriter ernst nehmen, nicht nur als Karaoke-Sänger. Eigene Lieder verbinden mich, meiner Meinung nach, stärker mit dem Publikum als Coversongs.
Du wirst Deinen 59. Geburtstag also wohl in Europa feiern am 10. Juni. Hast Du eine spezielle Party geplant? Vielleicht eine Sangria-Party, weil Du ja zum ersten Mal auch in Spanien spielen wirst? Ich bin sehr gespannt auf meinen ersten Auftritt in Spanien. Das Land meiner Vorfahren. Wir werden in Barcelona spielen. Und, richtig, auf dieser Tournee werde ich meinen Geburtstag feiern.
Dein Album „Spinning Our Wheels“ kam, glaube ich, 1998 heraus. Wie hat sich Deine Musik in den letzten 22 Jahren verändert? Interessante Frage. Ich habe gerade ein Projekt fertiggestellt, bei dem ich durch all meine früheren Werke gestöbert habe. Ich hatte die Idee, all meine Alben digital zusammenzustellen auf einem Flash-Drive. Somit haben Sponsoren meines nächsten Projekts die Möglichkeit, all meine Musik auf einmal zu bekommen. Dabei bin ich darauf gestossen, dass mein erstes Album „On The Border“ war, jene CD, die Irene Schmidt damals gehört hatte. „Spinning Our Wheels“ war das zweite Projekt, das ich mit dem Produzenten Merel Bregante zusammen gemacht habe. Ich denke, dass ich heute schneller einen guten Song schreibe als früher. Es gab auch auf den frühen Alben solche Perlen. Aber da war es vielleicht eine von ein paar Dutzend. Heute könnte ich fast jeden neuen Song bedenkenlos für ein Album aufnehmen.
Dein Vater hat einst bei Freddy Fender Schlagzeug gespielt. Welches Idol wünschst Du Dir einmal im Leben als Bühnenpartner? Freddy hatte am Anfang keine feste Band. Er wurde wohl vom Erfolg überrascht. Also mietete er für seine Auftritte zu Beginn lokale Bands an. In Texas heuerte Freddy die Texas Drovers an, wo mein Vater Schlagzeug spielte. Was meine Idole angeht, würde ich gern mal für George Strait eröffnen. Bei einem von Willie Nelsons Anlässen war ich schon, und auch mit Elton John habe ich schon gespielt.
Was war das für ein Gefühl, als Flaco Jimenez den Song Seguro Que Hell Yes von Dir und Mike aufgenommen hat? Das war eine grosse Ehre. Und noch mehr, als er dann noch einen Grammy gewann mit dem Album, wo der Titel drauf war. Persönlich war der Titel etwas zu aufgepeppt für mich. Wir schrieben ihn eher traditionell, und dann überredeten die Plattenlabel-Leute Flaco, diese Horn Section am Anfang mit einzubauen.
Ich sehe einige Texas-Künstler, die um des Erfolgs willen ihre Schiene verlassen und mehr in den Pop-Sektor abdriften. Maren Morris oder Miranda Lambert zum Beispiel. Leider haben die Labels zu viel Kontrolle über das, was die Stars publizieren. Darum bin ich froh, unabhängig zu sein. Ich kann machen, was ich will, auch wenn es vielleicht weniger einträglich ist. Auf meinem aktuellen Album „For The Love Of Western Swing & Other Love Songs“ habe ich meine Liebe zu dieser Art von Musik wieder voll ausleben können.
Rund 280 Shows pro Jahr bedeutet eine Menge Reiserei, auch wenn Du viel in der Umgebung spielst. Wird das irgendwann zu anstrengend? Einige haben ja aufgegeben und einfach ein Theater in Branson gegründet. Heute bin ich schlau genug, ein Hotel zu mieten. Früher fuhr ich entweder nach Hause oder schlief im Auto. Das macht es ein wenig einfacher. Ich habe meine Aktivitäten dreigeteilt. Einerseits die regionalen Shows, die wöchentlich oder alle paar Wochen stattfinden. Auch monatliche Auftritte in diversen Lokalen etwas weiter weg. Dann meine Fly-Gigs, wie ich sie nenne. Arizona, Kalifornien oder Montana mache ich heute nicht mehr im Auto, da fliegen wir hin. Und der dritte Teil sind meine regelmässigen Europa-Gigs. Ich glaube, die kommende ist die 14. Tour.
Gibt es spezielle Projekte, an denen Du in Zukunft arbeiten wirst? Da ich gerade mein neues Album fertiggestellt habe, will ich ihm etwas Zeit geben. Das heisst aber nicht, dass ich momentan keine Songs schreibe. In meinem Kopf geistert ein Projekt herum, dass ich über die Native Indians in Arizona schreiben will. Den Haupttitel hab ich schon geschrieben. Ich toure in Arizona seit 1986. Die Geschichte dieser Stämme interessiert mich sehr. Es wird also wohl eine Art Tributalbum.
Wenn Du ein Interview mit JAM machen würdest, welche Frage stelltest Du Dir, die ich nicht gestellt habe? Warum machst Du immer noch CDs, wenn immer weniger Leute diese kaufen wollen? Ich glaube, die Antwort ist, dass ein Kunstmaler seine Bilder immer auf qualitative hochstehende Leinwand malen will. Genauso sollte ein Songwriter seine Werke nicht nur digital bereitstellen, sondern den Fans etwas Handfestes übergeben können.
Ich bedanke mich für das Gespräch – und viel Erfolg auf Deiner Europatournee.