The next level

Florian Fox
Florian Fox, Bild: Rob Lewis
Florian Fox eröffnet das Jahr 2023 mit seinem zweiten Album „Made In Nashville“. Die EP erscheint am 2. März und wird gleichentags beim Auftritt beim Internationalen Country Music Festival im Zürcher Albisgütli dem Publikum im Rahmen einer „Grand Release Show“ vorgestellt. Der nächste Karriereschritt des 30-jährigen Country-Sängers ist damit offiziell eingeleitet.

Als Sänger und Frontmann der von ihm gegründeten Band The Black Barons hatte sich Florian Roth zwischen 2007 und 2019 mit bemerkenswertem Bariton und Anklängen an den Stil von Johnny Cash auf hiesigen Musikbühnen über das Genre hinaus in die Herzen des Publikums gespielt. Das Album „Rolling Skies“ (2013) war von Radio SRF3 als eines der besten Alben des Jahres bewertet worden. Im Januar 2021 war mit der noch in der Schweiz aufgenommenen EP „Blueberry Mountain Train“ ein Vorbote seiner künstlerischen Weiterentwicklung erschienen, die er während seiner zwischenzeitlichen Übersiedlung für ein Jahr in die USA mitten im ersten Pandemiejahr 2020 angegangen war. Mit dem dort produzierten Debütstudioalbum „Made In U.S.A.“ sowie einem Nachdiplomstudienabschluss der Vanderbilt University in Nashville im Gepäck kehrte er im Sommer 2021 als Florian Fox in die Schweiz zurück, um mit (Fox-)Band im Rücken die nächste Stufe zu zünden. Nach „einem bombastischen ersten Jahr“ 2022, in dem es ihm gelang, sich medial als „Schweizer Johnny Cash“ bei einem rasch wachsenden Publikum einen Namen mit Qualitätsbegriffscharakter zu schaffen und seine Musik – insbesondere die Singles Georgia und Swiss Guy – regelmässig ins nationale Radioprogramm zu bringen, steht Florian Fox nun am Anfang seines „Sophomore“-Jahres, wie das zweite Jahr im US-Bildungsumfeld generell, aber auch in der Country-Musik zuweilen bezeichnet wird. Diese Wortschöpfung leitet sich gleichermassen von den griechischen Begriffen für „weise“ und „närrisch“ ab. Eine Zeit also, in der man durch erste Erfahrungen ein bisschen schlauer geworden, aber vor Fehltritten durchaus noch nicht sicher ist. Spannende Ausgangslage.

Volles Programm im zweiten Jahr

Bei Erscheinen der neuen Single Southwind am 3. Februar und dem tags darauf folgenden Auftaktkonzert im ausverkauften „Alten Schlachthuus“ in Laufen/BL war seine Agenda zur „Made In Nashville“-Tour 2023 schon prall gefüllt. Darunter mit dem Albisgütli-Festivalauftritt samt Plattentaufe am 2. März, den „Blues & Country“-Shows im „DAS ZELT“ im Jahresverlauf sowie als weiterer Schweizer Saisonhöhepunkt: den Auftritten bei der 34. Country Night Gstaad am 8. und 9. September, wo er mit US-Country-Superstar Miranda Lambert, Newcomer Randall King und Cajun-Legende Jo-El Sonnier die grösste hiesige Country-Bühne teilen wird vor einem vieltausendköpfigen Publikum. International stehen eine Tournee in den USA zwischen Juli und August an sowie später noch die erste Country-Music-on-the-River-Flusskreuzfahrt auf der Donau im September.

Bekannte Töne neu

Die jetzt Anfang März erscheinende EP „Made In Nashville“ bringt bekannte Töne neu zum Klingen. Während sein Album „made in U.S.A.“ (2022) das Fundament seines charakteristischen Sounds darstellt, gilt bei „Made In Nashville“ sein Augenmerk verstärkt dem typischen Roots-Stil und Sound Johnny Cashs. Auf dem neuen Album begleiten ihn die meisterhaften Interpretationen des einstigen Cash-Bassisten Dave Roe, des Mundharmonika-Virtuosen und Country-Music-Hall-of-­Fame-Mitglieds Charlie McCoy sowie des Musikdirektors der Grand Ole Opry und ehemaligen Johnny-Cash-Band-Gitarristen Kerry Marx. Die Dobro-Gitarre spielte der vielfach ausgezeichnete Instrumentalist Rob Ickes.

„Made In Nashville“ entsteht

Während der fortgeschrittenen Einspielarbeiten zu seinem Visitenkartenprojekt „made in U.S.A.“ meinte Florian Fox aufgeräumt und vermutlich voller Adrenalin über den baldigen Abschluss zu seinem Produzenten und Mentor Chuck Mead, ob man nicht für die Session zum letzten Song Dave Roe einladen sollte. Vom YouTube-Studium vieler Cash-Auftritte aus den 1990er-Jahren war ihm das letzte heute noch lebende Mitglied der damaligen ständigen Cash-Formation bekannt. Wie es der Zufall wollte, war diese legendäre Nashville-Cat („the Nashville bassist“) auch einer der besten Freunde von Chuck Mead, was die Sache auf den ersten Blick natürlich erleichtern hätte können. Bloss war da ein kleiner Haken: „Man kann nicht für einen einzelnen Albumtrack die Musiker austauschen – ungeschriebene Businessregel“, beschied ihm das Nashville-Urgestein Mead. Die Lösung, Wunsch und Wirklichkeit doch noch in Einklang bringen zu können, wurde dann die Idee zu „Made In Nashville“, einer weiteren Fox-Studioproduktion. Diesmal aber mit Songs, denen konzeptionell zugrunde liegen sollte, den Sound von Johnny Cash und Originalmitgliedern seiner Band (soweit sie noch aktiv waren) wiederaufleben zu lassen. Der Vintage-Klang sollte aber nicht kopiert, sondern sanft, unter Wahrung des Respekts für die Originale weiterentwickelt werden. Soweit die Idee und Vorgabe.

Die Liederauswahl folgte dem konzeptionellen Ansatz, nicht in erster Linie eine „Best of“-Produktion der grössten Cash-Hits zu machen, sondern eher Titel auszusuchen, deren charakteristischer Ursprung und Sound Gestaltungsspielraum lassen würden. Am Ende umfasste die Auswahl Stücke von der düsteren „American Recordings“-Perle Redemption über den lüpfigen Revenge-Song Kate bis hin zum schmerzvoll-berührenden Green Green Grass Of Home, dessen buchstäblich traumhafte Melodie die ihm innewohnende (Todeszellen-)Tragik völlig zu überdecken vermag. Neu arrangiert sollten die insgesamt sechs ausgewählten Lieder aber nicht „überproduziert“ wirken. Mead und Fox wollten beim Interpretieren der „Leadsheets“ – der countrytypischen „Notenblätter“ – absichtlich genug Raum lassen für „lucky accidents“. Glückliche und somit interessante zufällige kleine „Fehler“, die sich im Nachhinein als unerwartete Perlen in den Liedern herausstellen könnten.

Am Ende wurde so aus einem scherzhaft vorgebrachten kleinen Traum grandiose Studiorealität: Eines schönen Tages im Frühling 2021 standen die gestandenen „Nashville Cats“ mit legendärem Ruf bei Florian Fox im Studio und arbeiteten mit ihm daran, die Vorstellungen in seinem Kopf in entsprechenden Sound umzuwandeln. Dave Roe slappte seinen mächtigen Kontrabass, Charlie McCoy zauberte seine magischen Harmonika- und Glockenspielklänge hervor. Zwischendurch in Kaffeepausen, mit Käseschnitten von ­Starbucks, lernte man sich näher kennen. Dave Roe erzählte von seinen Touren mit Cash und Jerry Reed und meinte auf die Antwort zu seiner Frage, was Florian Fox in der Schweiz so treibe, scherzhaft-entgeistert: „You scare me – Du machst mir Angst!“, als der ihm gestand, dass er Anwalt sei.

Charlie McCoy entpuppte sich als wahres Geschichtenlexikon. So erzählte er etwa seine Lieblingsgeschichte, wie er als Studiomusiker für eine Handvoll Dollar einen Tag lang als Sänger gebucht worden war. Nach einer Weile hatte der Produzent zwar halbwegs zufrieden, aber nicht wirklich begeistert gewirkt. Allein mit Gesang wäre es wohl keine grosse Karriere geworden für ihn. In der nächsten Session hätte man eine Mundharmonika gebraucht, aber keinen Musiker dafür aufgeboten. McCoy sprang ein und landete einen Volltreffer. Nicht viel später spielte er auf vielen Hitaufnahmen mit, nicht zuletzt auch bei Johnny Cashs Version des Orange Blossom Special.

Cowboy Keith Thompson, der Toningenieur, kam auf die Idee, zu diesen Cracks auch noch Kerry Marx einzuladen. Der heutige Musikdirektor der Grand Ole Opry hatte Anfang der 1990er-Jahre bei Cash gespielt. Eines Abends nach einer Grand-Ole-Opry-Show spazierte er ins Studio und spielte in einer lässigen „one take session“ mehrere Gitarrenparts und -soli ein. Sein Autogramm schrieb er danach auf einer Strassenkreuzung mitten in Nashville auf der Motorhaube auf die Gretsch-Gitarre „Tennessee Rose“ des Schweizers.

Back in the USA

Mittlerweile auch bei einer US-Agentur unter Vertrag, stehen diesen Sommer wieder Auftritte in den USA an. Nach Nashville und Louisiana letztes Jahr wird der geografische Fokus 2023 auf Gegenden im Gebiet von ­Texas und Oklahoma liegen – der sogenannten „Red Dirt“-Region, die auch dem Sound und der Musikszene in diesem Teil der USA den Namen gab.

Gemeinsam mit Tour-Partner Will Wesley aus Baton Rouge will er die Gelegenheiten nutzen, weiter in die US-Roots-Musikszene vorzudringen, mit dem Ziel, sich dort etablieren zu können. Dazu trägt der fast schon brüderliche transatlantische Austausch, den er mit seinem US-Künstlerkollegen Will Wesley und weiteren US-Musikern pflegt, in hohem Masse bei. „Es bieten sich einem manchmal nur wenige Chancen, den grossen Traum zu verwirklichen; die gilt es zu packen. Das können entscheidende Karrieremomente sein, die man nutzen muss”, ist er überzeugt.

Der Konzerthöhepunkt der Saison

Mit den beiden Auftritten bei der 34. Country Night Gstaad stehen dann Shows vor dem grössten sachkundigen Country-Publikum des Landes an. Weil man dort an einem Abend mit US-Country-Stars – nicht selten Superstars – im direkten Vergleich auf der Bühne steht, ist die für Schweizer Country-Künstler rare Gelegenheit, im Berner Oberland zum Line-up zu zählen, ein wegweisender Moment. Man kann sich dort einen guten Ruf schaffen, aber steht gleichzeitig auch unter genauer Beobachtung. Aufmerksamer und erwartungsvoller als im Gstaader Zelt werden Country-Shows hierzulande kaum je verfolgt, denn die Gäste aus den USA versprechen jeweils aussergewöhnliche bis höchste Qualität. Mit Blick darauf sind die Sommershows in Übersee natürlich doppelt wertvoll. Sie tragen nicht nur zu grösserer Bekanntheit des „Swiss Guy“ in der Heimat der Country-Musik bei, sondern sind auch beste Gelegenheiten, sich Feinschliff für die zwei grossen Shows in Gstaad zu holen.

Florian Fox selbst sieht es so: „Der Auftritt in Gstaad ist für mich eine grosse Ehre. Es ist eine der sagenumwobensten Bühnen, die dafür bekannt ist, seit über 30 Jahren die bedeutendsten Country-Künstler der Welt zu versammeln und für zwei Nächte den Glamour und die Ausstrahlung der Grand Ole Opry in die Schweizer Alpen zu bringen. Teil des diesjährigen Festivals mit Miranda Lambert, Randall King und Jo-El Sonnier sein zu dürfen ist ein Privileg. Gleichzeitig ist es ein grosser Ansporn für mich. Ich darf auf meinen US-Tourneen, die ich jeweils mit amerikanischen Künstlern zusammen mache, stets von grossen Vorbildern lernen. Sie haben mir beigebracht: ‚Stay humble, stay hungry.‘ In Gstaad aufzutreten ist deshalb auch stillschweigende Aufforderung, das Beste zu geben, dabei aber auch demütig zu bleiben und zu hoffen, dass es für das Publikum und uns im positivsten Sinn schlicht unvergesslich wird.“

Schlüsseljahr 2023

Alles in allem blickt Florian Fox auf ein herausforderndes Jahr der Bestätigung des erfolgreichen Starts seiner Solokarriere. Dank Neuerscheinungen, die ankamen, neuem Liedmaterial sowie gutem Buchungsstand besteht viel Grund zur Zuversicht. Sogar „ein finanziell ausgeglichenes Resultat liegt im Bereich des Möglichen“, schätzt er. Dieses Zwischenziel im zweiten Jahr eines neuen Unterfangens mit beträchtlichen Investitionen in Reichweite zu sehen, entspräche sogar dem Zeitplan, der rein wirtschaftlichen Business- und Projektplänen häufig zugrunde gelegt wird: Was nach drei Jahren nicht läuft oder Gewinn abwirft, kommt häufig nie richtig ins Rollen, lautet eine alte Faustregel. Und auch die weitere Zukunft beurteilt er optimistisch, wenngleich auch realistisch. Nicht zuletzt deshalb, weil man in der Country-Musik erfahrungsgemäss oft mehr Zeit einräumen muss, als man glaubt, bis Träume sich erfüllen und es sich auszuzahlen beginnt. Die Wege in der Musik mögen zwar nicht so unergründlich sein wie biblische, verschlungen sind solche Karriereverläufe oft genug allemal. Das scheint auch die Tatsache zu belegen, dass Nashville heute eher als „ten year“ denn als „five year town“ gilt auf dem Weg zum Durchbruch. Und hierzulande ist das im Musikgeschäft auch kaum anders.

„Es bieten sich einem manchmal nur wenige Chancen; die gilt es zu packen, um vorwärtszukommen.“