Mit zwei Acts aus Kanada starteten die Acoustic Nights am 23. März 2023 im Alten Spital Solothurn in die neue reguläre Saison mit je drei Austragungen im Frühling und Herbst. Special Events ausgenommen. Auf dem Programm standen dabei zunächst die Singer/Songwriter Rob Moir und Lynne Hanson.
Selbst wenn Rob Moir aus Toronto nicht in der Liga von artverwandten Grössen wie Gordon Lightfood oder Neil Young spielt, war sein Auftritt den Abstecher ins Gewölbe an der Aare durchaus wert. Und überhaupt, wie viele gibt es denn, die in jener Liga spielen? Das akustische Format sowie das nüchterne – im Sinn von kaum alkoholisierte – Donnerstagabendpublikum zwangen einen, der, bevor er es allein wagte, zwei Bands (The Stiffs und Dead Letter Dept.) gegründet hatte, in einen Rahmen, der vielleicht etwas eng war, um seine Entertainer-Qualitäten voll und ganz ausspielen zu können. Er ist einer, der auch Punk, dabei besonders The Ramones, oder feucht-fröhlicher Freitagabendstimmung bei seinen Gigs durchaus etwas abgewinnen kann. Zwischen seinen ruhig vorgetragenen zehn Liedern und den vor Schalk und Bravado strotzenden Ansagen, die an einen (begabten) Stand-up-Comedian erinnerten, lagen Berufswelten. Die Klarheit der Einleitungen kontrastierte mit der seines Gesangs, wo man gut hinhören musste, weil er beim Singen etwas zum Nuscheln neigte. Das zwang zu einem Intervalltraining aus hoher Konzentration und entspanntem Lachen, so ungefähr im Dreiminutentakt, um nichts zu verpassen, was der „tourfreudigste Sänger Kanadas“ (nach eigener augenzwinkernder Definition) unters Volk brachte. Beispielhaft für seinen gern auch schrägen Humor sind der Lied- und Albumtitel seines Debüts „Places To Die (Before You See The World)“ aus dem Jahr 2013 oder das Umschlagbild seines neusten „Solo Record“ (2018), das ihn in Napoleon-Pose zeigt. Auch die Einleitung zu Sometimes You Gotta Go, „dem ersten Lied von mir, das es ins nationale Radioprogramm schaffte, wenn auch nur zwischen vier und fünf Uhr am Morgen“, brachte einen zum Grinsen, wogegen der Inhalt vom eher ernsten Loslösen handelt. Die Zugabe Cop Car Crucifix war ein anderes Beispiel dafür, wie seine Lieder entstehen – er missioniert nicht, er verarbeitet, nicht selten mit einer Prise Tragikomik, einfach Geschichten, die ihm passieren oder ihn inspirieren. Ein Poet zu sein, wie er auch schon apostrophiert wurde, weist er von sich. Aber als Songwriter mit etwas schrägem Humor und komödiantischem Naturtalent zu gelten, damit kann er gut leben.
Landsmännin Lynne Hanson aus Ottawa dagegen hätte kaum unterschiedlicher wirken können. In eine schwarze Lederjacke gekleidet, umgab sie die natürliche Aura einer selbstbewussten Frau und Künstlerin, die genau weiss, was sie tut und kann. Eindrücklich. Als jüngstes von acht Geschwistern war sie schon früh den Einflüssen – auch den musikalischen – ihrer älteren Geschwister ausgesetzt gewesen, in deren Obhut sie sich oft wiederfand. Den aufmunternden Ratschlag ihrer Schwester Nancy – „Sing die hohen Noten!“ – trägt sie bis heute im Herzen und mit sich auf die Bühne. Und natürlich kann sie es. Eindeutig. Schon mit dem zweiten Song Hundred Mile Wind, der bei einem Stopp an einer Tankstelle in Oklahoma im Sturmwind über sie kam, hatte sie einen gefesselt. Blair Michael Hogan, der sie auf seiner Telecaster stets sorgfältigst dosiert begleitete, zupfte genau jenes Dunkel aus seinem Instrument, das die Stimmung des Liedes verlangte. Eindringlich. Ob es die Weiten ihrer Heimat oder die Tourneen als Troubadour um die Welt sind – egal, wenn dabei Sachen wie Long Way Home herauskommen. Einsam. Weeds kündigte sie mit „definitiv meine Geschichte“ an, und da war auch wieder Nancys Rat verpackt: „– still tryin‘ to hit the high notes…“ Einsichtig. Lollipops And Roses als Grabbeilage, weil man nach einem schweren Leben endlich einmal etwas Süsses kosten möchte. Einfallsreich. Light In Me soll einen aus der eigenen Dunkelheit herausführen. Hätte sie es nicht so angesagt, man hätte es genau umgekehrt empfinden können. Einbildung? Hip Like Cohen ist eine coole, jazzy Melodie und so fröhlich, dass selbst Nichttänzer – als was sie sich selbst auch sieht – in Bewegung geraten bei dieser kleinen Hommage an Leonard C. Eingängig. Lynne Hansons Gastspiel auf der Gewölbebühne des Alten Spitals war ein perfektes Zusammentreffen von Ort, Zeit und Künstlerin. Es war ein so souveräner Auftritt über zwölf Lieder, dass einer Person im Publikum zwischendurch tatsächlich Queen Elisabeth II. kurz – also wirklich nur ganz kurz – in den Sinn kam. Einfälle gibt’s.
Dieser Artikel erschien in der Country Style-Ausgabe Nr. 148/2023.
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