Rund 20 Jahre ist es her, dass Nickel Creek den Grammy für das beste zeitgenössische Folk-Album erhielten. Zuletzt liessen Geigerin Sara Watkins, ihr Bruder Sean an der Gitarre und Mandolinenkönner Chris Thile ihre Fans lange neun Jahre auf neues Material warten, während sie sich anderen Projekten widmeten. Nun hat sich das Americana-Trio aus San Diego mit seiner ganz eigenen Musik, oftmals als Progressive Bluegrass bezeichnet, zurückgemeldet.
Das Werk kommt einer anspruchsvollen, komplexen Reizüberflutung dar. Einfach zwischendurch kurz reinhören – das ist unmöglich und funktioniert höchstens bei musikalisch geschultem Gehör. Selbst wer sich konzentriert vor die Boxen setzt, wird einige Zeit brauchen, um in eine ganz besondere Soundwelt einzutauchen, in der offensichtlich nichts zufällig geschieht.
Jedes Arrangement der 18 Lieder klingt sehr wohl durchdacht. Die vielen Tempo- und Stimmungswechsel fordern nahezu eine ständige Aufmerksamkeit. Obendrauf gibt es noch einen formidablen Harmoniegesang, der dem Zuhörer in manchen Momenten gar mit offenem Mund staunen lässt. Klar, dass das Gesamtpaket in keine der bestehenden Genreschubladen passt. Das Bestreben, sich neu zu definieren, funktioniert. Anspieltipps sind kaum zu nennen, weil das Album als Gesamtkunstwerk verstanden werden will. Dennoch sei das ungewohnt wild-raue Where The Long Line Leads genannt, das beinahe eingängig rüberkommt.
Dieser Artikel erschien in der Country Style-Ausgabe Mai Nr. 148/2023.
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