Utah

Breuers Worte Utah
Bild: Geri Stocker

Gut, es gibt einige beherzte Versuche, einmal länger als die üblichen paar Sekunden zur besten Sendezeit ins Rampenlicht zu rücken – die Utah Jazz bei den Playoffs (30 Sekunden), Robert Redford bei der Eröffnung des Sundance-Filmfestivals (20) oder der turnusmässige Geschwindigkeitsrekord auf dem Salzsee (15) beziehungsweise das Weihnachtskonzert des Mormon Shabernackle Choirs (10). Wenn man über die oben aufgeführten Ereignisse hinaus einen Aufmacher braucht, muss man schon spektakuläre Lawinen abgehen oder Schwerverbrecher auf althergebrachte Weise ins Jenseits befördern lassen. Wir sind in Utah, angeblich benannt nach einer gewissen Jutta, von der nie jemand wieder etwas gehört hat.

Meldungen, mit denen Utah gemeinhin von sich reden macht, pflegen im Allgemeinen so auszusehen: „Die Kirchenführung der Mormonen hat ihren Missionaren untersagt, mit ihren Angehörigen via E-Mail zu kommunizieren, damit sie nicht von ihrer Missionsarbeit abgelenkt werden.“

Dem Verband Christlicher Buchläden zufolge besitzt jeder Amerikaner im Schnitt neun Bibeln, womit dieses Besitztum nur knapp unter dem individuellen Schusswaffenbesitz liegt. In Utah sind es zwölf. Von beidem. Andererseits werden in keinem Bundesstaat mehr Antidepressiva verkauft als eben dort. Frage einer nach den Zusammenhängen.

Oh heilige Langeweile! Puretanien pur! Selbst James Hansen, der republikanische Abgeordnete, äussert sich nicht gerade euphorisch über seinen Heimatstaat: „Rollende Hügel voller Beifussgesträuch und Käfer und sonst nichts.“ Utah hat mehr Imageprobleme als Schneekristalle: Für die meisten Amerikaner ist der 45. Staat eine knapp 220.000 Quadratkilometer grosse Ausnüchterungszelle, eine Durststrecke, eine sexuelle Diaspora hinter dem Mond mit einem riesigen Misstrauen gegenüber der restlichen Welt, weshalb man in Utah auch mit Gold bezahlen kann. Hier brät man seine Hamburger nie ganz durch, weil auch das E. coli letztlich ein Lebewesen Gottes ist. Die Beschaffung alkoholischer Getränke über 3,2 Prozent: schwierig. Sehr schwierig. So gesehen ist es fast ein Segen, dass Apotheker kein Schiesspulver gegen Kopfschmerzen verkaufen dürfen. Immerhin ist die Kaffeekultur hoch entwickelt, dank des unermüdlichen Einsatzes der „Church of the Latte Day Saints“.

Bisher hat vorwiegend das Salz Geld in die Kassen gebracht: Salz der Erde, auf der Haut, gesalzene Rechnungen, flächendeckende Belieferung amerikanischer Streudienste und – hier zeigen sich doch erste Auflösungserscheinungen – seit 1996 Salz für Margaritas. In Ogden hat man dafür eigens Salt Glu entwickelt, eine Salzmischung, die an Plastikbechern haften bleibt. Tequila und Utah, das bringen viele nicht zusammen, viele meinen, hier sei sogar der Genuss von Gingerale problematisch, weil die Silbe Gin drin vorkommt. Die Konkurrenz ist mörderisch: Bereits ein paar Fahrstunden entfernt locken das freizügige Colorado mit seinen Nacktskigebieten und der Legalisierung von Cannabis. Aber allen Widrigkeiten zum Trotz bescheren Wintersport und Salzwüste einen steten Besucherstrom. Im Wasatch Nationalpark oberhalb von Salt Lake City wurde sogar eine reine Autoabstellstadt angelegt: Park City. Nachhaltig soll der Tourismus werden, die Botschaft, die langfristig rüberkommen muss: Utah statt Plastik!

Liebhaber klassischer und moderner Western dürften sich in Utah rasch zurechtfinden, vor allem im Monument Valley, das schon der unverwüstliche John Wayne als „Ringo“ durchritt, weswegen das Staatsmotto lautet: „Wir reiten im Morgengrauen.“ Auch „Butch Cassidy and the Sundance Kid“ trieben hier ihr Unwesen, überhaupt hat Robert Redford, obwohl ein liberaler Geist, den „Bienenkorb“-Staat in sein Herz geschlossen. Thelma & Louise mochten Utah so sehr, dass sie den Fossil Point als Abschussrampe wählten. Das Utah auch als Schauplatz für „Planet der Affen“ gedient hat, überrascht jetzt nicht wirklich.

In Salt Lake City darf niemand auf die Strasse mit einer Geige in einer Papiertüte – das erschwert die musikalische Entwicklung. So gesehen ist es nicht verwunderlich, dass nur wenige Country-Musiker Utah als Heimat reklamieren: Ryan Shupe & The Rubber Band aus Ogden, immerhin einer Stadt, die nach einem Album der Small Faces benannt wurde. Joshua James stammt aus Provo, der Diamond-Rio-Tastenmann Dan Truman aus St. George. Dazu gesellen sich lokal bekannte Bands wie Drive und Mountain Country. Wenigstens findet sich im Internet eine Liste der zehn besten Country-Bars in Salt Lake City. Nicht einmal der legendäre Hobo Utah Phillips, bekannt durch seine Eisenbahnsongs, erblickte in Utah das Licht der Welt, sondern in Cleveland. Allerdings hat er acht Jahre in einem Obdachlosenasyl in Salt Lake City gearbeitet. Musikalisch ist daher gar nicht mal so arg viel gebacken.

Zeit für die Top Ten mit Songs, die Utah im Titel tragen:

Christine Lavin: If You Want Space, Go To Utah

Kristin Allen Zito: Utah

Backseat Passengers: Utah

Christine Kinslow: Utah Sky

Laurie Wheeler: Utah Moon

Steve Kaul: Utah Sun

Hot Buttered Rum: Busted In Utah

Saul Nathaniel McCartney: Move To Utah

Dallas Turner: Utah Carl’s Last Ride

Dieser Artikel erschien in der Country Style-Ausgabe Nr. 120/2020.

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