Highways – eine Welt für sich

Breuers Worte Highwas eine Welt für sich
Bild: Geri Stocker

Das ist ja kein Geheimnis: Strassen geniessen in den USA kultische, also auch musikalische Verehrung: Ob Highway 61 (Dylan), 101 (da gab es sogar die passende Band dazu), die Great River Road entlang des Mississippis (Rylie Walker), A 1 A ­(Jimmy Buffett) oder die viel besungene Route 66 mit Hunderten von Songs – den Kosenamen „Mother Road“ trägt sie zu Recht. Betonpisten werden pausenlos angesungen, die Betonung liegt auf Beton. Selbst heute noch, wo sogar in den USA über Verbrenner diskutiert wird und manche Pick-Trucks in der E-Version angeboten werden, kennt die Asphaltverherrlichung keine Grenzen. Sogar die Inside-Passage in Alaska gilt offiziell als US-Highway.

Die Beförderungsmittel dazu werden nicht minder gepriesen, Trucks, Chevys, Cadillacs und Greyhounds, auch in bewegten Bildern wie in „Convoy“ mit Kris Kristofferson oder die Serie „CHiPs –California Highway Patrol“, um nur zwei Beispiele zu nennen. Die Verklärung bedarf keiner Erklärung: Die Pisten bieten potenzielle Möglichkeiten, den Vorstädten zu entfliehen. Insofern lässt sich Highway tatsächlich mit „Hochweg“ übersetzen: Er steht für Freiheit, allen Staus und Baustellen („Your tax dollars @ work“) zum Trotz.

Die Route 66 führt vorbei an den Geburtsorten von William Fitzsimmons (Springfield), Uncle Tupelo (St. Louis), J. J. Cale (OK City) oder Joe Ely (Amarillo). Reisende starten im flachgelegten Illinois, wo man die Buggys der Amish People überholen kann, um sich anschliessend unter der Gateway Arch in St. Louis durchzuwinden und danach die Ozarks links liegen zu lassen. Ganze 13 Meilen quält man sich durch Kansas, wo Jesse James 1876 in Baxter Springs eine Bank ausraubte. Als Nächstes sucht die Sechsundsechzig Oklahoma heim, den „Sooner State“, und sooner or later hat man auch das hinter sich, als Nächstes lauert – kein Pappenstiehl – der Texas Panhandle. Die „66“ durchquert im Südwesten viele Geisterstädte, die zum Teil sogar bewohnt sind, „main street u.s.a.“, um dann nach einem verspielten Zwischenstopp in Nevada im kalifornischen ­Santa Monica knapp vor dem Pazifik haltzumachen. Die wuscheligen Palmen dort hat Christine Lavin mal sehr treffend als „Tina Turner Trees“ beschrieben.

Vermutlich sind es Tourismusverbände, die entlang des Highways, der für viele die ultimative Wünschelroute darstellt, malerische Autowracks und betagte Zapfsäulen mit leider aktuellen Preisen als Ikonen der Landstrasse drapiert haben, alles wegen der Authentizität. In Seligman wartete lange Angel Delgadillo in seinem Frisiersalon auf Kundschaft, um die durch den Fahrtwind verwuschelten Haare der Harley-Fraktion auf Vordermann zu bringen. Ob es wohl eingefleischte Motorradfreaks gibt, die sich am Wochenende als Geschäftsleute verkleiden, um mit zu engen Hemden und Anzügen und etwas zu kurzen Hosen in die ­Geschäftsviertel reinzudrängen?

Merkwürdig, über die Route 65 hat nie jemand ein Wort verloren, aber immerhin gibt es in der Schweiz eine Band gleichen Namens, das ist aller Ehren wert. Im Südwesten zog der Highway 666 viel Aufmerksamkeit auf sich, nach der Johannesoffenbarung steht die Ziffernfolge für das Böse als solches, was offenbar Touristen abschreckte, weswegen man ihn 2003 in „Highway 471“ umtaufte. Toller Name, das. Es gibt leider keine belastbaren Daten, dass die Evangelikalen nun in Scharen kommen. Oder wenigstens ein paar Asphaltcowboys.

Beim Highway 101, bekannt als Pacific Coast Highway, muss man Glück haben: Sperrungen wegen Erdrutschen, Brückenschäden oder Waldbränden sind in Kalifornien die Regel, anscheinend wird hier für die Apokalypse geübt, sodass eine reibungslose Reise nicht garantiert werden kann. Der Gulf Coast Highway (Nanci Griffith) wiederum hat ständig mit Hurrikanen zu kämpfen.

Auf ihre Strassen lassen die Amerikaner dennoch nichts kommen, die Nutzer aber sollten sich vorsehen: In Illinois müssen alle Autos zwingend ein Lenkrad haben. In St. Louis darf niemand mit laufendem Motor parken, weil es die Pferde verängstigen könnte. In Oklahoma darf man keine Comics lesen, während man ein Auto steuert. In New Mexico ist es Taxifahrern untersagt, potenzielle Kunden ins Fahrzeug zu zerren. In Arizona ist jedermann(-frau) gehalten, nicht auf Bürgersteige, Highways oder Zebrastreifen zu spucken. Zeit für ein paar Takte Musik.

01 The Waifs: Highway One

02 Drew Nelson: Highway 2

03 Tom Jessen: Highway 3 West

04 Fred Spruell: 4A Highway

05 American Music Club: Highway 5

06 Katie Bulley: Highway 6

07 Melissa Ratley: Highway 7

08 Mark Despault: Highway 8

09 Eliza Gilkyson: Highway 9

10 Mick Brady: Highway 10

Dieser Artikel erschien in der Country Style-Ausgabe Nr. 150/2023.

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